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"ezra"
Opferberatungsstelle warnt vor Terroranschlägen

Kundgebung auf dem Marktplatz in Hanau im Februar 2021.  Am Abend des 19. Februars 2020 erschoss der Hanauer Tobias R. neun Bürger aus Einwandererfamilien, seine Mutter und sich selbst, weitere Opfer überlebten verletzt. Ein Gutachten diagnostizierte bei dem Täter paranoide Schizophrenie, auf die eine Ideologie mit rassistischen Elementen aufgesetzt gewesen sei. Einen Prozess gibt es nicht, da der Täter tot ist.  | Foto: epd-bild/Tim Wegner
  • Kundgebung auf dem Marktplatz in Hanau im Februar 2021. Am Abend des 19. Februars 2020 erschoss der Hanauer Tobias R. neun Bürger aus Einwandererfamilien, seine Mutter und sich selbst, weitere Opfer überlebten verletzt. Ein Gutachten diagnostizierte bei dem Täter paranoide Schizophrenie, auf die eine Ideologie mit rassistischen Elementen aufgesetzt gewesen sei. Einen Prozess gibt es nicht, da der Täter tot ist.
  • Foto: epd-bild/Tim Wegner
  • hochgeladen von Beatrix Heinrichs

Die Thüringer Opferberatungsstelle "ezra" registriert für das vergangene Jahr eine Zunahme rassistischer Gewalttaten und warnt vor weiterer Eskalation. Rassistische Erfahrungen gehörten inzwischen zum Alltag von Geflüchteten in Thüringen.

Die Thüringer Opferberatungsstelle „ezra“ warnt vor einem Anstieg extremistischer Gewalttaten in Thüringen. Die Gefahr einer weiteren Eskalation von Rassismus wie zum Beispiel in Form von Terroranschlägen sei extrem groß, sagte Projektkoordinator Franz Zobel anlässlich der Vorstellung der Jahresstatistik der Beratungsstelle am Mittwoch in Erfurt. Die Gründe dafür lägen insbesondere in bestimmten öffentlichen Debatten, wie etwa jene über „echte“ und „unechte“ Geflüchtete, in einem weit verbreiteten Rassismus sowie im hohen Mobilisierungspotential der extremen Rechten.
Die Opferberatungsstelle „ezra“ hat im vergangenen Jahr insgesamt 119 rechte, rassistische und antisemitische Gewaltstraftaten in Thüringen registriert. 2020 hätten dem rechtsextremistischen Spektrum 106 Taten zugerechnet werden können. Von den Angriffen im vergangenen Jahr seien mindestens 177 Menschen direkt betroffen gewesen, darunter auch 27 Kinder. Hinzu komme eine durch verschiedene Studien belegte hohe Dunkelziffer an nicht polizeilich erfassten Vorfällen. „Rassistische Erfahrungen sind in Thüringen Alltag, die nur ungenügend durch bestehende Statistiken erfasst werden“, kritisierte Zobel.
Das häufigste Tatmotiv mit 80 Fällen sei wie im Vorjahr Rassismus geblieben, gefolgt von Angriffen auf politische Gegner und Gegnerinnen. Für das Jahr 2021 seien jedoch erstmals auch Angriffe im Kontext der Corona-Pandemie als rechte Gewalttaten registriert worden. Insgesamt hätten 14 Fälle einen Corona-Bezug gehabt. In weiteren 13 Fällen hätten weitere Informationen gefehlt, um sie als rechte Gewalt oder Bedrohung einzuordnen. „Wir gehen aber auch in vielen dieser Fälle davon aus, dass hinter den Taten Ideologien wie Verschwörungserzählungen, Antisemitismus oder rechte Bedrohungsmythen stehen“, erklärte Opferberaterin und Soziologin Theresa Lauß.
Regionaler Schwerpunkt der Taten seien wie auch schon 2020 die Städte Erfurt und Jena gewesen. Auffällig sei mit elf Vorkommnissen der Anstieg rechtsextremistischer Gewalt in Weimar, wo sich die Zahl der Fälle im Vergleich zu 2020 fast vervierfacht habe. In der Stadt Eisenach, in der am Mittwoch mehrere Objekte wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsextremistischen Terrorgruppe durchsucht wurden, zählte die Beratungsstelle drei Gewaltstraftaten.
„Dass die Anzahl der Angriffe im vergangenen Jahr, unter dem Einfluss der Pandemie und der damit zusammenhängenden Maßnahmen, wieder gestiegen ist, ist äußerst beunruhigend“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Madeleine Henfling. Es sei ein Alarmsignal, das von politischer und sicherheitsbehördlicher Seite gehört werden müsse.
„Ezra“ arbeitet in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Seit April 2011 unterstützt die Beratungsstelle Menschen, die angegriffen werden, weil Täter und Täterinnen sie einer von ihnen abgelehnten Personengruppe zuordnen. Finanziert wird die Opferberatungsstelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit.

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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