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Demokratieforscher
Parteien müssen weg von AfD-Themen

Foto: epd-bild / Universität Leipzig

Wie sind die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen einzuordnen? Und welche Schlüsse sollte man nicht daraus ziehen? Karin Wollschläger sprach darüber mit dem Soziologen Gert Pickel, Vize-Sprecher des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig. 

Ihr erster Eindruck zu den Wahlergebnissen?
Gert Pickel:
Was mich erschüttert, ist das starke Wahlergebnis einer gesichert rechtsextremen Partei. Durch die Umfragen ist es nicht ganz überraschend, aber trotzdem erschreckend. Vor allem wenn man sich die Altersstruktur anschaut: Es sind vor allem junge Wähler, die die AfD sehr stark wählen. Und die CDU hat in Sachsen beispielsweise vor allem dadurch gewonnen, dass die älteren Wähler CDU gewählt haben.

Die AfD bekam in beiden Ländern über 30 Prozent - ist es diesen Wählern egal, dass sie rechtsextrem wählen?
Einigen ist es schlicht egal. Andere folgen der Argumentationslinie der AfD, dass sie doch eigentlich nur eine konservative Partei sei und solche Einordnungen als rechtsextrem durch die anderen Parteien nur Meinungsmache und Populismus seien. Die AfD baut bewusst einen Märtyrerstatus auf und das zieht unter ihren Wählern. Gerade mit Blick auf die Anti-Migrationshaltung und auch auf ihre rassistische Haltung.

In Thüringen haben über 48 Prozent, in Sachsen über 42 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme keiner der etablierten demokratischen Parteien gegeben - sondern AfD oder BSW. Wie ist das einzuschätzen?
Das bedeutet eine beachtliche Gefährdung der Demokratie in beiden Bundesländern. Man muss sich klar vor Augen führen, was etwa die AfD umsetzen will: zum Beispiel den Verfassungsschutz und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen. Man kann etwas beobachten, was wir etwa aus Ungarn schon kennen, wo sehr ähnlich argumentiert wird. Es ist eine gegen Vielfalt, Moderne und Demokratie gerichtete Überzeugung. Der Weg ist mit Blick auf die Wahlergebnisse nicht mehr weit zu so einer Art Systemwandel. Das müsste auch den tradierten Parteien zu denken geben.

Die scheinen aber keinen richtigen Anpack gegen den extremen Populismus zu finden - das Problem ist ja nicht neu.
In der Tat. Sie müssen sich endlich Antwort-Strategien überlegen, das fehlt bei den anderen Parteien bislang fast gänzlich. Außer dass man darauf gesetzt hat, gerade die Themen stark zu machen, für die die AfD steht: Migrationspolitik. Man hat in den vergangenen Wochen quasi nichts anderes gehört. Man wird aber keine Wähler hinzugewinnen, wenn man selbst plötzlich eine härtere Migrationspolitik fährt. Man bestätigt nur, was die AfD dazu gesagt hat.

Sinnvoll ist es eher aufzuzeigen, welche Probleme mit einer AfD-Regierung kämen - das haben zuletzt gerade Wirtschaftsunternehmen getan. Auch dass es einen Brain-Drain weg aus Sachsen und Thüringen geben würde. Den Leuten muss klar werden, was das Problem an diesen Entwicklungen ist.

Welche Schlüsse sollte man aus den Wahlergebnissen nicht ziehen?
Man sollte nicht den Schluss ziehen, aus machtpolitischen Gründen doch mit der AfD kooperieren zu wollen, weil es eine demokratisch gewählte Partei ist. Das hat noch nie funktioniert. Man sollte sich auch nicht auf das Feld der AfD ziehen lassen und den rechten Themen folgen, sondern eigene setzen und diese eigenen Kompetenzen stärker akzentuieren. Das Dritte: Man muss in den Sozialen Medien - gerade mit Blick auf die jüngeren Wähler - deutlich sichtbarer werden und TikTok beispielsweise nicht nur der AfD und Islamisten überlassen.

Die Kirchen haben sich öffentlich klar gegen die AfD positioniert, teils auch gegen BSW. Welche Relevanz kommt dem zu? In beiden Bundesländern sind Christen ja in der klaren Minderheit.
Wenn nur ein kleiner Teil Mitglied ist, erreicht man auch nur einen kleinen Teil. Aber trotz allem: Jeder kleine Teil zählt. Dementsprechend ist es wertvoll zu wissen, dass man hier eine Position hat, die klar macht: Menschenfeindliche Positionen sind unvereinbar mit den christlichen Grundwerten. Ich finde, das ist eine überzeugende Position und wichtig.

(kna)

Autor:

Online-Redaktion

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