Friedensbeauftragter der EKD
Selbstverständliche Aufgabe der Kirche
Ehemaliger Bausoldat: Der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer ist neuer Friedensbeauftragter des Rates der EKD. Er antwortete auf die Fragen von Willi Wild zur Friedensarbeit in der DDR und zu den aktuellen friedensethischen Herausforderungen.
Welchen Schwerpunkt wollen Sie in Ihrer Amtszeit setzen? Was ist Ihr Ziel?
Friedrich Kramer: Frieden ist ein zentrales Thema in der Kirche und im christlichen Glauben. Wenn man sieht, wie viele Konflikte es derzeit in der Welt gibt, wie bedroht überall der Frieden ist, dann ist es wichtig und unerlässlich, dass sich die Kirchen hier zu Wort melden, zur Gewaltfreiheit aufrufen und zivile Konfliktlösungen anmahnen. Die Sorge um den Frieden darf nicht nur ein paar Friedensbewegte umtreiben, die Sorge um den Frieden gehört in den Mittelpunkt kirchlicher Arbeit. Hier will ich mich als EKD-Friedensbeauftragter einbringen und einsetzen.
Einer der Schwerpunkte wird sein, dafür zu ringen, dass Deutschland dem seit einem Jahr in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag beitritt.
Wie wollen Sie die Sorge um den Frieden in den Mittelpunkt kirchlicher Arbeit stellen?
Viele der evangelischen Landeskirchen, aber auch die EKD, haben sich auf den Weg gemacht hin zu einer Kirche des Gerechten Friedens. Dieses Leitbild setzt die Gewaltfreiheit an erste Stelle. Das wollen wir im Gebet, im eigenen Friedenshandeln und im gesellschaftlichen Dialog immer weiter einüben. Der Friede Gottes überwindet Grenzen, Mächte und Gewalten. Das geschieht nicht durch eine Steigerung der Gewalt, sondern durch Überwindung der Logik der Gewalt.
Der neue Himmel und die neue Erde, in der sich Gerechtigkeit und Friede küssen, liegen noch vor uns. Doch schon jetzt sind Christen aufgerufen, in der diesseitigen Welt eine Friedensordnung anzustreben und sich aufrecht und mündig mit unseren Ressourcen, aber auch unseren Schwächen an Christi gewaltfreiem Friedenshandeln zu orientieren und Verantwortung für eine friedliche Gesellschaft und Weltordnung zu übernehmen. Dies in der Kirche, in unseren Gemeinden immer wieder auch bewusst zu machen, wird eine Aufgabe des Friedensbeauftragten sein.
Wichtig ist mir dabei, dass die Friedensdekade und das regelmäßige Gebet für den Frieden wieder stärker in den Gemeinden verankert und praktiziert werden.
Welche Impulse aus der evangelischen Friedensarbeit in der DDR werden Sie einbringen?
Vor mehr als 30 Jahren haben brennende Kerzen in den Händen und Friedensgebete in überfüllten Kirchen gewaltfrei eine friedliche Revolution erreicht. Die Mauer fiel, ohne Gewalt, der Kalte Krieg endete, die europäische Teilung konnte überwunden werden, Abrüstung wurde möglich. Die evangelischen Kirchen im damaligen DDR-Kirchenbund haben durch ihre friedensethische Arbeit viel dazu beigetragen. Die Ökumenische Versammlung „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ 1989 in Dresden, die Öffnung der Kirchen für kritische Anfragen an die Gesellschaft, die Friedensgebete, aber auch viele Beschlüsse der damaligen Synoden haben deutlich den Frieden angemahnt.
Diese Tradition gerade der DDR-Kirchen ist ein großer Schatz, der nicht in Vergessenheit geraten darf, sondern der auch für die heutige friedensethische Arbeit nicht nur der evangelischen Kirche immer wieder in den Blick genommen und neu entdeckt werden muss. Insbesondere die Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung gilt es, wieder ins Bewusstsein zu rufen.
Wie stehen Sie zur Militärseelsorge?
Kurz nach der Friedlichen Revolution gehörte ich zu denen, die gegen eine Übernahme des Militärseelsorgevertrages in unseren ostdeutschen Kirchen waren. Wir haben seinerzeit uns für eine Soldatenseelsorge stark gemacht und damit einen Prozess in Gang gebracht, der zu Veränderungen in der Militärseelsorge geführt hat. Ich bin gespannt zu sehen, wie die Arbeit sich heute gestaltet und welche Fragen sich dadurch ergeben. Die Seelsorge an Soldatinnen und Soldaten ist eine selbstverständliche Aufgabe der Kirche, die den Menschen in ihrer Not beizustehen hat.
Die Evangelische Friedensarbeit ist geprägt von einer großen Bandbreite an friedensethischen Positionierungen. Diese reicht vom Radikalpazifismus, der jegliche militärischen Mittel ablehnt, bis zu einem Pazifismus, der im Sinne einer rechtserhaltenden Gewalt auch militärische Mittel für gerechtfertigt hält. Diese Bandbreite im Gespräch zu halten und Brücken zu einer gemeinsamen Positionierung und zu gemeinsamem Handeln zu bauen, ist eine Aufgabe des EKD-Friedensbeauftragten.
Deutschland belegt Platz vier der größten Waffenexporteure weltweit. Wie kann die kirchliche Friedensarbeit auf die Politik Einfluss nehmen?
Die evangelische Kirche fordert schon lange eine restriktivere Umsetzung der Regeln der EU zur Rüstungsexportkontrolle und eine stärkere Überwachung von deren Einhaltung. Es ist seit langem die feste Überzeugung evangelischer Friedensethik, dass Rüstungsexporte Konflikte befeuern und nicht befrieden. Daher bin ich dankbar, dass die neue Bundesregierung ein Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg bringen will. Das ist schon lange eine Forderung auch aus den Kirchen. Dies muss dann aber auch umgesetzt werden.
Im vergangenen Jahr exportierte Deutschland für mehr als neun Milliarden Euro Rüstungsgüter, auch in Konfliktregionen. Das darf so nicht einfach hingenommen werden, und das müssen die Kirchen in Gesprächen mit den Verantwortlichen in Politik und Regierung auch immer wieder anmahnen. Denn eins ist sicher: Sowohl Exporte in Krisenregionen als auch militärische Kooperationen mit Drittstaaten außerhalb der NATO, die Menschenrechte und Demokratie missachten, untergraben eine internationale Friedensordnung.
Die Corona-Krise gefährdet zunehmend den gesellschaftlichen Frieden. Wie lautet diesbezüglich die Friedensbotschaft der evangelischen Kirche?
Wir erleben derzeit durch die Diskussion um die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie eine lebhafte gesellschaftliche Debatte. Reden und Streiten ohne Gewalt gefährdet nicht den Frieden, im Gegenteil, es ist Zeichen einer lebendigen Demokratie. Wir sollten nicht das rechte Narrativ der Spaltung der Gesellschaft wiederholen, sondern immer wieder zum vorurteilsfreien Gespräch einladen. Reden statt Brüllen und sprachliches Abrüsten ist für alle Seiten nötig.
Christen sind dazu aufgerufen, achtsam und sorgsam sowie liebevoll mit dem Nächsten umzugehen, sowie mit Umsicht und Vertrauen auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren. Protest gegen staatliche Maßnahmen ist legitim, aber er muss gewaltfrei sein. Wer sich an Protesten beteiligt, sollte auch nach rechts und links schauen, wer da mit ihm demonstriert und sich von Gewaltbereitschaft und brutaler Sprache klar abgrenzen.
Womit beschäftigte sich die Konferenz für Friedensarbeit, die Sie erstmals geleitet haben?
Ein Thema auf der Konferenz war auch der Konflikt in der Ukraine. Es ist erschreckend, wie dieser Konflikt weiter eskaliert und die Gefahr eines Krieges immer größer wird. Hier muss alles getan werden, damit ein solcher Krieg, der großes Leid über die Ukraine und Russland bringen wird, verhindert und eine friedliche Lösung gefunden wird.
Ich unterstütze nachdrücklich die Position der Bundesregierung, keine Waffen an die Ukraine zu liefern und diplomatische Lösungen zu suchen. Waffen können kein Teil der Lösung sein, sie würden eher zu einer Eskalation des Konfliktes führen. Viel wichtiger als Waffenlieferungen sind jetzt weitere diplomatische Gespräche, um eine Lösung für diesen Konflikt zu finden.
Wir dürfen nicht auf die Kriegsrhetorik hören, sondern es müssen alle Aspekte des Konfliktes beachtet werden. Dazu gehört es auch, die Sicherheitsinteressen Russlands nüchtern in den Blick zu nehmen.
Autor:Online-Redaktion |
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