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Gefährliche Widerstands-Rhetorik
Theologen warnen vor Missbrauch Bonhoeffers

Büste des evangelischen Pfarrers Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) in der Kapelle der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg | Foto: epd-bild/Wolfgang Noack
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  • Büste des evangelischen Pfarrers Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) in der Kapelle der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
  • Foto: epd-bild/Wolfgang Noack
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Groß-Rohrheim (red) - Wenige Wochen vor den US-Präsidentschaftswahlen haben führende Theologinnen und Theologen aus den USA und Deutschland vor einem Missbrauch Dietrich Bonhoeffers zur Rechtfertigung politischer Gewalt gewarnt. Schon beim Sturm auf das Kapitol am 6.Januar 2021 habe der Christliche Nationalismus seine ganze Brutalität entfaltet.

Mit Blick auf die extreme Polarisierung der US-Gesellschaft sei es „brandgefährlich“, den Widerstand Bonhoeffers gegen das NS-Regime als Vorbild für die eigene Militanz zu instrumentalisieren, heißt es in einer Erklärung, die am 17.10. zuerst in der gedruckten „ZEIT“ veröffentlicht wird.

Autoren des Textes sind unter anderem die früheren Ratsvorsitzenden der EKD, Wolfgang Huber und Heinrich Bedford-Strohm, sowie die Vorsitzenden der deutsch- und englischsprachigen Sektion der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft, Lori Brandt-Hale und Florian Höhne. Sie betonen: „Der Christliche Nationalismus nutzt die Symbole und die Sprache des christlichen Glaubens, um Macht und Kontrolle über andere zu erlangen“.

Dietrich Bonhoeffer, der 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet wurde, habe sich dagegen schon vor der Machtübernahme der Nazis gegen jede Form von Nationalismus ausgesprochen.In ihrem Aufruf werden exemplarisch drei Beispiele hervorgehoben: So bediene sich Eric Metaxas, Autor einer in Fachkreisen scharf kritisierten, aber in den USA vielfach verkauften Bonhoeffer-Biographie, einer immer aggressiveren Kriegs-Rhetorik und propagiere den Kampf gegen politische Gegner als „Bonhoeffer-Moment“. Dabei poste er in Sozialen Netzwerken ein Foto, das eine Pistole auf einer Bibel zeigt.

„Diese Verherrlichung von Gewalt ist verbunden mit der bewussten Weigerung, zwischen dem heutigen gesellschaftlichen Kontext und dem von Nazideutschland zu unterscheiden“. Das gelte auch für den Spielfilm „Bonhoeffer: Pastor, Spy, Assassin“, der unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen in die Kinos kommt. Die evangelikalen „Angel Studios“ bewerben den Film mit dem Slogan: „Der Kampf gegen die Tyrannei beginnt jetzt!“. Auf dem Poster trägt Bonhoeffer eine Pistole. „Der Wahlausgang könnte eine noch nie dagewesene Welle der Gewalt nach sich ziehen. Jeder Versuch, Dietrich Bonhoeffer und seinen Widerstand gegen Hitler als Legitimation für heutige politische Gewalt heranzuziehen, muss entschieden zurückgewiesen werden“, schreiben die Bonhoeffer-Forscherinnen und Forscher.

Im Gegensatz zum Christlichen Nationalismus habe Bonhoeffer darauf bestanden, einen „Blick von unten“ einzunehmen. Für ihn sei bestimmend gewesen, „dass Christus in der Gegenwart und im Leiden der Nächsten zu finden ist, ob auf der anderen Straßenseite oder jenseits der Landesgrenze.“ Deshalb sei es „perfide“ und ein „billiger Trick“, wenn sich das von der „Heritage Foundation“ erarbeitete „Project 2025“ ausgerechnet auf Bonhoeffer berufe, „um den Schutz von Flüchtlingen und die Sorge um die Umwelt zu diskreditieren“.

Die beiden Sektionen der Bonhoeffer-Gesellschaft hoffen, dass der Widerspruch gegen den Missbrauch Bonhoeffers von vielen Kirchengemeinden aufgenommen wird. Für die Nachfahren Dietrich Bonhoeffers kündigte sein Großneffe Tobias Korenke gegenüber der „ZEIT“ an, dass sich auch die Familie zeitnah zu Wort melden werde.

Inzwischen unterstützen zahlreiche Bischöfe und Leitende Geistliche in den Aufruf, darunter die kommissarische Ratsvorsitzende der EKD, Kirsten Fehrs, und ihr Stellvertreter Volker Jung, Kirchenpräsident von Hessen-Nassau.

Büste des evangelischen Pfarrers Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) in der Kapelle der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg | Foto: epd-bild/Wolfgang Noack
Appellplatz des ehemaligen KZ Flossenbürg, nahe der Grenze zur damaligen Tschechoslowakei. Das KZ bestand von 1938 bis 1945. In dem KZ wurde der evangelische Pfarrer und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) am 9. April 1945 im Morgengrauen mit weiteren NS-Gegnern erhängt. | Foto: epd-bild/Wolfgang Noack
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Online-Redaktion

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