Freitag, vor eins ...
Unsere Seite 1 - Es hätte auch Kuchen gegeben
Da saß er nun, Prinz Charles, mit dieser riesigen Maß Bier im traditionsreichen Hofbräuhaus in München. Die Pressefotografen haben das "Prosit" mit Ehefrau Camilla eingefangen - und den zweideutigen Gesichtsausdruck von His Royal Highness gleich mit. Ein Königreich für Charles' Gedanken. Ob er es bedauert hat, das gute Bier am Ende doch unausgetrunken stehen lassen zu müssen? Ist ja nur schwer vorstellbar, dass das rigide Protokoll des englischen Hofs in diesem Fall mehr erlaubt, als am Bierkrug zu nippen. Vielleicht hat er aber auch gedacht: Was gäbe ich jetzt für einen schönen warmen Tee. Nun, das hätte er haben können, der Charles. Wäre der Prinz nur zu uns nach Thüringen gereist. Es hätte sicher auch Kuchen gegeben - Kloß und Bratwurst werden überbewertet: Die gemischte Thüringer Kuchenplatte mit den bauklötzchengroßen Stücken ist die wahre kulinarische Sensation des Freistaats! Und die kann man auch zum Tee servieren.
Doch dafür hätte sich der Sohn von Queen Elizabeth seiner familiären Wurzeln erinnern müssen. Historisch betrachtet ist das britische Königshaus ziemlich deutsch – einer ausgeklügelten Heiratspolitik sei Dank. Besonderen Einfluss auf die politischen Geschicke im Europa des 19. Jahrhunderts nahm dabei ein kleines Herzogtum im fränkisch-thüringischen Grenzland. Seit 1840, mit der Heirat von Victoria und Albert, einem Angehörigen des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha, trug die Königsfamilie den anglisierten deutschen Namen Saxe-Coburg and Gotha. Erst 1917 änderte König Georg V. den Namen in Windsor, in Anlehnung an das Windsor Castle in der Grafschaft Berkshire.
Auf dem Weg von Berlin über Leipzig nach München hätte sich - "back to the roots" - ein Stopp in Thüringen, zum Beispiel in Gotha, angeboten. Jenseits von Folklore und royalem Hype wäre das ein beherztes Signal gewesen, das die langen Linien der europäischen Idee würdigt. Ein Signal, dass man auch beim Durchblättern der bunten Magazine im Friseursalon oder im Wartezimmer beim Arzt verstanden hätte.
Europa, quo vadis: Unser Schwerpunkt in der aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung. Viel Freude beim Lesen!
Unsere Themen:
- Europäisch: Udo Hahn, Publizist und Leiter der Evangelischen Akademie Tutzing, über Frieden und Versöhnung als wichtigste Errungenschaften der europäischen Einigung
- Diplomatisch: Katrin Hatzinger, Leiterin des EKD-Büros in Brüssel, im Gespräch über den Reformbedarf der EU und christliche Inhalte
- Unbequem: Theologe und Bürgerrechtler Heino Falcke wird 90. Ein Porträt.
Außerdem:
- Berührendes Evangelium: Die Kirchenzeitung verdankt ihren Namen einem Theaterstück, das derzeit im Wiener Theater in der Josefstadt gegeben wird. Willi Wild hat es sich angesehen.
- Nackte Töpfer: Walter Gropius gründete in Dornburg eine Keramikwerkstatt. Als Museum lässt sie das Bauhaus heute lebendig werden.
- Üben für ein Judenpogrom: Polnische Juden sind entsetzt über den zunehmenden Antisemitismus in ihrem Land
Neugierig geworden?
Lesen Sie wöchentlich Reportagen und Berichte aus den Kirchenkreisen der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Evangelischen Landeskirche Anhalts, aus Deutschland und der Welt und erfahren Sie mehr über Hintergründe zu gesellschaftlichen Debatten und zu Glauben im Alltag. Die Mitteldeutsche Kirchenzeitung „Glaube + Heimat“ erhalten Sie als E-Paper und als gedruckte Ausgabe im Abonnement, in ausgewählten Buchhandlungen und Kirchen.
Autor:Beatrix Heinrichs |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.