Geistliches Wort zu Pfingsten
Vom Herzen bis zur Haarspitze
Mit den Händen reden: Vor dem Hintergrund des Krieges ringen wir um Antworten – in verschiedenen Sprachen. Wie können wir so beieinander bleiben? Ist Babel stärker als Pfingsten?
Von Landesbischof Friedrich Kramer
Es sitzt ihnen noch in den Knochen. Diese Bilder. Im kalten Morgengrauen sahen sie, wie sie Jesus folterten und zur Kreuzigung schleppten, und nur die Frauen gingen mit. Die Männer blieben zurück bis auf Johannes. Petrus weinte voller Scham und Angst.
Als sie dem Auferstandenen begegnen, da brannte in ihrem Herzen die Flamme. Und dann wird er in den Himmel aufgehoben. Ohne Ross und Schlachtwagen, zu Fuß geht er in den Himmel. Christus bleibt sich treu. Gewaltfrei, ohne Macht, aber nicht ohnmächtig: vom Eselseinzug über den Kreuzweg bis zum Himmelsgang. Er besiegt waffenlos Tod und Sünde, Hass und Gewalt, und alle Früchte des Geistes scheinen greifbar nahe: Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Langmut, Sanftmut und Treue, und was der Geist alles schenken kann. Aber sie, sie haben Angst, nichts als Angst, und sind zerrissen zwischen ihren Erfahrungen mit ihm, seinen Worten und den schrecklichen Bildern.
„Die Römer verstehen nur die Sprache der Gewalt und Stärke, lasst uns zu den Waffen greifen“, sagen die Zeloten unter den Jüngern. Andere sind gelähmt, und die unerwartete Begegnung mit dem Auferstandenen überzeugt nicht alle. Viele zweifelten. Vielleicht streiten sie, so wie wir in der Pandemie und im Krieg über den richtigen Weg. Was würde Jesus jetzt sagen?
Die einen sagen, um der Gerechtigkeit und Nächstenliebe willen ist es so klar: Wer andere töten und unterjochen will, der muss mit Waffen gestoppt werden. Andere mahnen, dass mit Waffen kein Frieden zu schaffen ist, sondern sich das Leid und Sterben nur vergrößert. Wieder andere erinnern an Jesu Gewaltlosigkeit und an die Erfahrungen der Zeitenwende, die wir erlebt haben, als wir „Schwerter zu Pflugscharen“ schmiedeten und die Mauern gewaltlos zu Fall brachten. Viele sind innerlich zerrissen, und vieles verschwimmt jetzt im Nebel des nahen Krieges.
Seit Februar ringen wir um Worte und um Entscheidungen, um eine Antwort auf die Frage, was das sinnlose Leiden in der Ukraine beendet. Wir spüren, dass jede Antwort in Schuld führt. In den heftigen Reaktionen auf eher zurückhaltende Positionen höre ich den Ernst, das Gute und Richtige zu tun und denen nahezukommen, die sich dem Krieg nicht fernhalten können. Um das, was zu tun ist, ringen wir in verschiedenen Sprachen und Logiken und suchen, was Frieden schafft und das Leiden beendet. Wie können wir mit den verschiedenen Sprachen beieinander bleiben? Ist Babel stärker als Pfingsten?
Die Jünger und Jüngerinnen aber bleiben zusammen. Sie kehren nach Jerusalem zurück in das Obergemach des Hauses, in dem sie immer einkehren. Es sind mehr als nur die elf auf Emil Noldes Bild, wo wir das Zentrum dieser Pfingstversammlung sehen und uns die Frauen und Maria, die Mutter Jesu, und seine Brüder im äußeren Kreis vorstellen.
Sie sind einmütig im Gebet versammelt, so sehen wir es vor Augen – als Wunderbares geschieht. Die Flamme im Herzen lodert wieder auf und ergreift alle bis zu den Haarspitzen. Der Heilige Geist kommt über sie. Das Feuer der Liebe brennt hell. Der Geist schenkt ihnen Worte, jedem in seiner Mutter Sprache. Er löst ihre Zungen und sie erfahren: Es ist beglückend, verschiedene Sprachen zu sprechen und trotzdem eines Geistes zu sein und einander zu verstehen.
Das Bild zeigt das einmütige Gebet der Jünger. Keine Aktivität nach draußen wird hier sichtbar. Aber die Hände sprechen. Die gefalteten Hände – vom beseelten Gebet. Die Hand auf der Schulter – von Trost, Beistand und Segen. Und die Hände auf dem Tisch, die einander gereicht werden, sprechen von Versöhnung und dem Sich-endlich-wieder-die-Hände-reichen.
Das ist es, was wir in diesem Jahr zu Pfingsten brauchen. Zu viele waren schreiend draußen, und es hat nicht zum Verständnis und nicht zu Freude und Einmütigkeit geführt. Wir verstehen uns immer weniger. So brauchen wir das einmütige Gebet und den Beistand und das Händereichen trotz der verschiedenen Ansichten.
Für dich ist Platz im inneren Kreis, und du kannst nah herantreten an den Tisch. Innig beten, Trost erfahren und die Hände zur Versöhnung reichen. Und so, gestärkt in der Gemeinschaft, gehen die Türen auf, und der Geist weht die Gemeinde hinaus. Und sie werden zu Segens- und Friedensbringern und verkündigen die frohmachende Botschaft. Der Geist wehe und schenke dir ein geistreiches und gesegnetes Pfingstfest!
Autor:Online-Redaktion |
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