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Vorbei und vergessen?
Kürzlich habe ich meinen Regenmantel seit Langem wieder angezogen. In der Innentasche fand ich zwei Masken – übriggeblieben.
Von Johann Schneider
Gefühlt liegt die Pandemie weit zurück. Vergessen und verdrängt: die Quarantänen und der Mindestabstand. Dabei endete die Maskenpflicht erst Anfang des Jahres. Und Menschen, die heute im Zug eine Maske tragen, werden oft angestarrt. Dabei haben etliche schon wieder eine Infektion durchgemacht. Beim Griff in die Tasche dachte ich: „Gott sei Dank, dass Corona vorbei ist!“
Ja, ich danke Gott, dass er unsere Familien und Freunde vor schweren Infektionen bewahrt hat – und denke mit Sorge an eine Kollegin, die schwer erkrankte und seitdem nicht mehr sprechen kann. Aber da liegt noch manches quer. Viel Vertrauen ist baden gegangen. Und mancher Konflikt hängt noch im Raum. Es ist Zeit, darüber zu reden. Über die Frage für oder gegen Impfen sind Freundschaften fast zerbrochen. Und ob der Spruch „Impfen ist Nächstenliebe“ an Kirchenmauern skeptische Zeitgenossen ermutigte, sich impfen zu lassen, oder diejenigen mehr geärgert hat, die sich gegen eine Impfung entschieden, hat noch niemand untersucht.
In den nächsten Monaten wünsche ich mir, dass wir uns in den Gemeinden und Kirchen zusammensetzen und über die Zeit der Pandemie sprechen. Und dabei lernen, einander wieder zuzuhören, und uns offen unsere Meinung sagen. Wo sonst als in einer christlichen Gemeinschaft, die glaubt, mit Widersprüchen anders umzugehen als ein Verein oder eine Partei, sollte das möglich sein? Wobei unser Umgang miteinander ausbaufähig ist. Da liegt noch einiges vor uns nach dieser elenden Seuche.
Der Autor ist promovierter Theologe und Regionalbischof im Norden der EKM.
Autor:Online-Redaktion |
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