Nobelpreis für Medizin
Was den Mensch zum Menschen macht
Svante Pääbo posiert schon mal für ein Foto mit einem menschlichen Schädel. "Die Neandertaler und wir" hat der in Leipzig forschende schwedische Genetiker 2014 ein Buch über seine Jagd nach dem Erbgut des Neandertalers und seine Begeisterung für Mumien und jahrtausendealte DNA überschrieben. Die Nobelversammlung des Karolinska-Instituts in Stockholm sprach dem 67-Jährigen jüngst den Medizinnobelpreis zu.
Von Christoph Arens
Pääbos Anspruch: Er will herausfinden, was den Mensch zum Menschen macht. Dass sich Erbgut überhaupt über Jahrtausende erhält, galt lange als undenkbar. 1997 sequenzierten Pääbo und sein Team erstmals kleine Teile der DNA eines Neandertalers. Das Ergebnis: Die DNA des Neandertalers unterschied sich deutlich von der heutiger Menschen, womit erwiesen war, dass Neandertaler nicht die direkten Vorfahren jetziger Menschen sind. 2010 rekonstruierte das Team eine erste Version des Genoms der Neandertaler aus Knochen. 2014 wurde diese Arbeit abgeschlossen.
Pääbos Vergleiche des Neandertaler-Genoms mit dem Erbgut moderner Menschen ergaben, dass sie bei ihrem Zusammentreffen vor rund 50 000 Jahren gemeinsamen Nachwuchs gezeugt haben müssen, zu einem Zeitpunkt, als moderne Menschen Afrika verließen und nach Europa und Asien auswanderten. Die Folge: "Jeder von uns trägt etwa ein bis zwei Prozent vom Neandertaler in sich", sagt Pääbo.
"Wenn wir wissen wollen, was an unserem Erbgut exklusiv menschlich ist, dann sollten wir uns fragen: Welches sind die genetischen Veränderungen, die wir alle gemeinsam haben, nicht aber der Neandertaler?", beschreibt der Wissenschaftler seine Herangehensweise. Etwa 31 000 solcher Unterschiede gibt es. "Das Rezept der Menschwerdung muss in diesen Veränderungen verborgen sein."
Doch wie es aussieht, bleibt unklar: "Ich denke, dass wir mindestens noch zehn oder zwanzig Jahre lang damit beschäftigt sein werden, diese entscheidenden DNA-Unterschiede zu identifizieren, die uns einzigartig machen."
Dabei könnte auch geklärt werden, warum moderne Menschen eine Technik entwickelten, die ihnen ermöglichten, fast die ganze Welt zu kolonisieren. "Die Neandertaler haben in Hunderttausenden Jahren ihr Steinwerkzeug kaum weiterentwickelt. Sie hatten wohl auch kein Interesse daran, Höhlenwände zu bemalen. Und sie haben nie das Meer überquert", sagt Pääbo. Der moderne Mensch dagegen besiedelte innerhalb von nur 65 000 Jahren jede Insel im Pazifik. "Irgendwie ist das doch verrückt – wir sind verrückt! Als Nächstes fliegen wir zum Mars. Wir können nie aufhören."
(kna)
Autor:Online-Redaktion |
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