Interview
Wie weiter mit der Landeskirche?
Rückzug: Kirchenpräsident Joachim Liebig hat die Landessynode über seinen Eintritt in den Ruhestand am 1. März 2024 informiert. Willi Wild sprach mit ihm darüber.
Nach Ihrer Wiederwahl 2020 sagten Sie, dass Sie eine volle Amtszeit bis 2026 wahrnehmen wollen. Jetzt hören Sie zwei Jahre früher auf, warum?
Joachim Liebig: Ich hatte die Aussage damals unter die Bedingung gestellt, dass die Gesundheit mitmacht. Ich kann nicht sagen, dass ich krank bin. Aber ich merke doch, dass ich nicht jünger werde und einige Malaisen mit mir herumtrage. Das ist ein persönlicher Grund. Aber es gibt auch einen inhaltlichen: Wenn wir in dieser Legislatur noch die Gesetzgebung für die strukturellen Veränderungen in unserer Landeskirche auf den Weg bringen, dann ist das, was ich als Idee für die Landeskirche eintragen wollte, gesichert.
Mission vollendet?
Das kann man so nicht sagen, denn es ist ja eine fortlaufende Aufgabe. Nach 14 Jahren denke ich: Es ist an der Zeit, diesen Schritt zu tun. Ich erreiche ja auch das Rentenalter, von daher ist es kein vorzeitiger Abschied. So mache ich den Weg für einen Neuanfang frei. Die Landeskirche ist in gutem Zustand und für alle Optionen der Zukunft gerüstet. Das Weitere mögen dann andere entscheiden, übrigens auch mit einer neuen Synode ab 2024.
Kann Ihr angekündigter Abschied auch als ein Signal an Landeskirchen zur Übernahme verstanden werden?
Das wird immer wieder vermutet, aber das glaube ich nicht. Wir haben noch Möglichkeiten, auch bei sinkenden Gemeindegliederzahlen. Ich sehe weiterhin keinen bedeutenden Vorteil für die Landeskirche, ihre Gemeinden, Dienste und Werke, wenn sie Teil einer größeren Einheit wären. Es ist eine freie Entscheidung der Landeskirche, wie sie mit ihrer Zukunft umgehen wird. Und allein, dass sie das frei entscheiden kann, ist ein großer Gewinn.
Wächst der Druck aus der EKD, beispielsweise beim Thema Finanzausgleich?
Nein, der wächst nicht. Es gibt jedoch Befürchtungen bei der EKD. Früher hieß es, wir würden irgendwann nicht mehr in der Lage sein, unsere finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Es gibt unterschiedliche Gutachten, die deutlich machen: Das ist ganz und gar nicht der Fall. Es ist eher der Gedanke, dass wir als kleine Einheit über den Finanzausgleich Geld bekommen, nur weil wir Landeskirche sind. Das ist bei schwierigeren finanziellen Bedingungen in den Geberkirchen nicht leicht zu vermitteln. Dafür habe ich Verständnis. Wenn alle Stricke reißen würden, kämen wir auch ohne den Finanzausgleich aus. Das wäre natürlich ein schwerer Einschnitt, aber mit Abstand nicht das Ende unserer landeskirchlichen Autonomie.
Halten Sie es für angebracht, in der momentanen Situation, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger in den eigenen Reihen zu suchen?
Da mische ich mich in keiner Weise ein. Aber ich gebe zu bedenken, dass Leitungsfiguren aus dem eigenen Umfeld in kleineren Einheiten manchmal auf Schwierigkeiten stoßen. Wer eben noch Kollege oder Kollegin war, wird plötzlich Vorgesetzter oder Vorgesetzte. Es hat sich gerade in unserer kleinen Landeskirche bewährt, Menschen von außen zu suchen. Für denkbar halte ich, dass die Frage einer Ostbiographie mehr Bedeutung gewinnt, als es seinerzeit bei meiner Wahl der Fall war.
Könnte es nicht schwierig mit der Suche werden, weil vielleicht in der nächsten Amtsperiode die Abwicklung der Landeskirche droht?
Das war schon eine Frage, als ich 2009 antrat. Bei einer EKD-Synode sagte mir damals jemand, ich sei derjenige, der die Landeskirche abwickeln würde. Wie Sie sehen, ist das nicht der Fall gewesen. Es braucht für meine Nachfolge ein dickes Fell und breites Kreuz, um diese Anfrage auszuhalten. Ich halte das Amt für eines der wunderbarsten überhaupt und empfinde es nach wie vor als Privileg, diese Aufgabe erfüllen zu können. Zudem glaube ich, dass es Menschen gibt, die sich gerade dafür interessieren. Die Aufgabe ist basisnah, gemeindenah und enthält doch alle Leitungsaufgaben, die so ein Amt mit sich bringt.
In der EKM haben einige Kirchenkreise die Größe Ihrer Landeskirche. Sie haben vor der Landessynode dafür plädiert, die fünf anhaltischen Kirchenkreise beizubehalten. Warum?
Während des geplanten Umbaus ist es notwendig, eine mittlere Ebene zu haben. Die Kreisoberpfarrerschaft ist in der Lage, diesen Prozess zu moderieren. Je funktionaler die neuen Gemeindeverbände werden, desto mehr tritt die jetzige Funktion der Kirchenkreise zurück.
Sie haben in Ihrem Vortrag bei der Synode drei Punkte genannt, die die Kirchenkreise auszeichnen. Welche sind das?
Zum einen ist es in Anhalt tatsächlich ein Identitätsfaktor. Denn die Kirchenkreise bilden alte, geschichtlich fundierte Umgebungen ab. Auch wenn unsere Kirche nicht groß ist, macht es schon einen Unterschied aus, ob man in Buro lebt, also an der Stadtgrenze zu Wittenberg, oder im mittleren Harz, in Harzgerode.
Die Kirchenkreise sind zudem eine funktionale Einheit in der Begleitung der Gemeinden, Dienste und Werke durch die Kreisoberpfarrerschaft.
Und der dritte Punkt ist: Sie kosten uns tatsächlich nicht sehr viel. Warum sollte man den Vorteil einer Zwischen-ebene aufgeben, die im wahrsten Sinne des Wortes preiswert ist? Und außerdem sind sie keine Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Haben Sie sich schon Gedanken über Ihren bevorstehenden Ruhestand gemacht?
Ich habe meinen Ruhestand natürlich noch nicht vorbereitet, bis auf eine einzige, aber entscheidende Situation: Wir haben vor einigen Jahren unser neues, schönes Haus in Dessau bezogen. Und wir werden natürlich dort wohnen bleiben.
Ich freue mich auf manche Aufgabe, die ich dann übernehmen kann, die bisher an Zeitmangel gescheitert ist. Allerdings, das verspreche ich sehr eindeutig: In kirchliche Angelegenheiten mische ich mich dann nicht mehr ein. Ich werde nicht derjenige sein, der wie in der Muppet-Show auf dem Rang sitzt und alles kommentiert.
Autor:Online-Redaktion |
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