Katholische Verbände dringen auf Reformen
«Wir brauchen eine Revolution»
Immer neue Missbrauchsskandale und ein schleppender Reformprozess stellen viele Katholiken zunehmend vor eine Zerreißprobe. Auf einer «KirchenVolksKonferenz» forderten katholische Verbände und Initiativen grundlegende Veränderungen in ihrer Kirche.
Von Claudia Rometsch
«Täglich frage ich mich im Gebet: Was soll ich tun?», bekennt Marianne Arndt. Die Kölner Gemeindereferentin zählt zu den Katholikinnen und Katholiken, die angesichts immer neuer Missbrauchsskandale und mangelnder Reformbereitschaft an ihrer Kirche zweifeln - wie viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der «KirchenVolksKonferenz» in Köln.
Auch sie sei aber Teil eines Systems, das sie mit seinen hierarchischen Strukturen nicht mehr gutheißen könne, räumt Arndt ein. «Soll ich nun ständig neue Pflaster kleben, oder soll ich etwas Neues gründen?» Damit beschreibt Arndt die innere Zerrissenheit, mit der viele der Teilnehmer kämpfen.
In einem flammenden Appell an die Bischöfe setzen sich rund 150 Vertreterinnen und Vertreter von 36 katholischen Verbänden, Orden und Initiativen erneut für mehr Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche ein. Die gemeinsame Erklärung solle «eine Antwort auf die Krise der katholischen Kirche sein», erklärt Christian Weisner vom Bundesteam der Reformbewegung «Wir sind Kirche». «Die römisch-katholische Kirche wird wegen Missbrauch und Vertuschung sowie Menschenrechtsverletzungen und vielfältiger Diskriminierungen ihrer Verantwortung immer weniger gerecht», heißt es in dem am Sonntag in Köln veröffentlichten «Gemeinsamen Wort».
Einer, den das betrifft, ist Michael Brinkschröder vom Katholischen LSBT+ Komitee: «Ich habe das Vertrauen in die klerikale Struktur der Kirche verloren», sagt er. Zentrale Aufgabe eines glaubwürdigen Reformprozesses seien grundlegende Veränderungen der Hierarchie.
Die Folgen der ungleichen Machtverteilung zwischen Laien und Bischöfen waren zuletzt Anfang September auf einer Versammlung des Reformprozesses Synodaler Weg deutlich geworden. Dort hatten die Bischöfe kraft ihrer Sperrminorität einen Beschluss zur Reform der kirchlichen Sexualmoral blockiert. Reformer fordern seit langem die Anerkennung von Homosexualität sowie Trans- und Intersexualität.
Vor allem bei jüngeren Katholiken scheint die Hoffnung in den innerkirchlichen Reformprozess gering. Der Synodale Weg könne dies nicht leisten, weil er Teil des Systems sei, sagt der Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun. Letztlich müsse aber auch er selbstkritisch feststellen, dass er als Vertreter eines katholischen Verbandes das System stütze, beschreibt Podschun sein Dilemma. «Wir brauchen eine Revolution», lautet sein Fazit. «Ich glaube, dass sich die Kirche selbst zerstören muss, um sich wieder neu aufzubauen.»
Den inneren Konflikt zwischen Bleiben und Gehen haben einige Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer bereits entschieden. «Ich kann meinen Glauben auch leben, ohne Mitglied der Kirche zu sein», sagt etwa Doris Bauer. Sie gehört der Initiative «Emmaus-Wege» an, in der sich ausgetretene Katholikinnen und Katholiken zusammengeschlossen haben.
Dies sei eine zunehmend größere Gruppe von Menschen, die zwar die Institution Kirche nicht mehr unterstützen wollten, sich aber nach wie vor als katholisch betrachteten. «Für uns ist es wichtig, nach wie vor mit dem Kirchenvolk verbunden zu bleiben», sagt Bauer. Auch in den Reformprozess möchte sich die Initiative einschalten.
«Strukturen verändern geht nur von Innen», glaubt hingegen Michael Brinkschröder trotz aller Enttäuschung. Auch die stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Agnes Wuckelt, sieht das so. Für sie sei es zwar eine tägliche Herausforderung, Gründe für den Verbleib in der Kirche zu finden, bekennt sie. Aber sie sei entschlossen, den notwendigen Demokratisierungsprozess einzufordern. «Ich bin Kirche. Und deshalb wird sie mich nicht los. Wir geben nicht nach.»
An der «KirchenVolksKonferenz» waren unter anderem Gruppen wie «Wir sind Kirche», «Maria 2.0», #OutInChurch und Betroffeneninitiativen beteiligt sowie der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und Ordensvertreterinnen.
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.