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Junge Soldaten berichten
«Angst zu haben, finde ich normal»

Foto: epd-bild/Jens Schulze

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine steht die Bundeswehr im Fokus. Was aber bedeutet die «Zeitenwende» für junge Soldaten? Gehen sie trotz oder gerade wegen der veränderten Sicherheitslage zum Bund? Ein Besuch im niedersächsischen Munster.

Von Julia Pennigsdorf (epd)

Der Weg zum Gefechtsplatz führt über weiches Moos. Sonnenstrahlen fallen durch Kiefern, es duftet nach Tannennadeln, Baumrinde, Harz. Eine Märchenwaldidylle - wären da nicht bedrohlich nah wirkende Schüsse und Explosionen, die immer wieder durch das Unterholz krachen.

Der Bundeswehr-Jeep in den Tarnfarben hält an, es geht zu Fuß weiter, immer tiefer in den Wald hinein. Oberfeldwebel Hannah S. führt den Zug, der auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord die Ausbildungsmodule «Bau von Stellungen» und «Feuerkampf» übt. In voller Montur, mit Gewehren, Panzerfäusten und Tarnfarbe im Gesicht, knien Soldatinnen und Soldaten der 5. Kompanie des Versorgungsbataillons 141 auf dem Waldboden und lauschen konzentriert.

Ein Gruppenleiter sagt: «Wenn ich nichts aufkläre, schieße ich auch nicht. Munition wird nicht verschwendet, wer weiß, vielleicht braucht ihr sie, um ein paar Meter weiter Leben zu retten.»

Die Soldaten des Versorgungsbataillons befinden sich am größten Heeresstandort Deutschlands in der Spezialgrundausbildung. Das Bataillon stellt die logistische Unterstützung der Gefechtsverbände mit Verbrauchsgütern wie Munition, Kraftstoff, Ersatzteilen und Verpflegung sicher. Es ist auf die Standorte Neustadt am Rübenberge, Munster und Rotenburg an der Wümme verteilt und eines von sieben Bataillonen, die zur Panzerlehrbrigade 9 mit ihren insgesamt rund 6.000 Soldatinnen und Soldaten gehören.

Hauptgefreite Laurina H. ist eine der Soldatinnen, die im Wald mit dem zwölf Kilogramm schweren Gewehr G36 und der Panzerfaust 3 trainieren. Die 19-Jährige aus Bad Oldesloe in Schleswig-Holstein hat ihre Grundausbildung im August 2022 begonnen. Da war sie gerade volljährig. «Alles, was vorher an Formalien nötig war, mussten noch meine Eltern unterschreiben.»

Nach Angaben von «tagesschau.de» hat die Bundeswehr 2023 rund 18.000 neue Soldaten eingestellt. Dabei stieg der Anteil der Minderjährigen: Knapp 2.000 Soldaten waren zum Zeitpunkt ihrer Einstellung erst 17 Jahre alt - jeder zehnte neue Bundeswehrsoldat. In Munster sprechen die Ausbilder augenzwinkernd von Soldaten mit «Muttischein». 17-jährige Soldatinnen und Soldaten werden grundsätzlich nicht in den Einsatz geschickt und sie dürfen noch keinen Dienst mit der Waffe leisten.

Was reizt junge Menschen an der Bundeswehr? Laurina überlegt. Ihr Vater sei beim Bund gewesen, sagt sie. Er habe spannende Geschichten erzählt. «Und man will doch auch sein eigenes Land schützen», sagt sie. Natürlich habe sie auch Angst - vor einem Einsatz, davor, dass es ernst wird. Die Sicherheitslage habe sich verändert, das sei ihr bewusst. «Aber Angst zu haben, finde ich normal.» Wenn es so weit ist, werde sie mit diesem Gefühl umgehen können, ist Laurina überzeugt.

Insgesamt dienten dem Online-Portal «Statista» zufolge Ende Februar 2024 rund 181.500 Soldaten bei der Bundeswehr - rund 13 Prozent von ihnen waren Frauen. 1983, als die Wehrpflicht noch nicht ausgesetzt war, gab es mehr als zweieinhalbmal so viele Soldaten: fast 496.000. Für das Jahr 2031 hat das Verteidigungsministerium sich das Ziel von 203.000 Soldaten gesetzt. Die Themen Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit sind in Deutschlands nach vielen Jahrzehnten wieder ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt.

Doch diese Zielmarke ist der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) zufolge nur schwer zu erreichen. «Ich komme nicht umhin festzuhalten, dass auch im zweiten Jahr der 'Zeitenwende' substanzielle Verbesserungen bei Personal, Material und Infrastruktur auf sich warten lassen», schreibt sie im aktuellen Wehrbericht. «Die Truppe schrumpft weiter - zwar schleichend, aber mit einer deutlichen Tendenz.»

Grund sind dem Wehrbericht zufolge die Covid-19-Pandemie, die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel. Zudem zeige eine Befragung aus 2022, dass sich immer weniger junge Frauen und Männer im Alter von 16 bis 29 Jahren vorstellen können, bei der Bundeswehr zu dienen.

Das gilt nicht für Brandon M. Der Obergefreite absolviert wie Laurina H. die Spezialgrundausbildung beim Versorgungsbataillon 141. Weder die marode Infrastruktur der Bundeswehr noch die Bedrohungslage in Europa durch den Angriff Russlands auf die Ukraine haben den 26-Jährigen davon abgehalten, Bundeswehrsoldat zu werden. Im Gegenteil: «Ich möchte meinen Beitrag leisten.»

Leicht gemacht hat sich der gebürtige Bremer, der Bodybuilding und Ausdauersport liebt, die Entscheidung nicht. Jahrelang habe er darüber nachgedacht, ob er Soldat werden möchte, erzählt er. Nach der Schule absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Speditionskaufmann, sprach intensiv mit Freunden und seinen Eltern. «Ihr Segen war mir wichtig.»

Doch dann war für den jungen Mann mit dem offenen Lächeln klar, dass er zur Bundeswehr gehen möchte. Im August 2023 begann seine Ausbildung. Bereut hat er die Entscheidung nicht. «Das hier ist eine ganz eigene Welt, in der man tiefe kameradschaftliche Beziehungen aufbaut», sagt Brandon. «Und es gibt einem ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man etwas Sinnvolles tut.»

Autor:

Online-Redaktion

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