Nahost
Bethlehems stille, heilige Nacht
In Bethlehem strömen im Dezember üblicherweise zahlreiche Touristen auf den Krippenplatz, um den riesigen Weihnachtsbaum zu bewundern. Doch in diesem Jahr gibt es wegen des Nahost-Kriegs keinen Baum und keine bunten Lichterketten.
Von Isabell Knief (epd)
In Bethlehem, wo die Geschichte Jesu nach biblischer Überlieferung begann, bleibt es dieses Jahr an Weihnachten still. Die festliche Weihnachtsparade mit Trompeten und Trommeln ist von der Stadtverwaltung abgesagt, die christlichen Kirchen verzichten auf große, prunkvolle Zeremonien und Prozessionen. Die frohe Kunde der Weihnachtsbotschaft wird in der kleinen Stadt im Westjordanland zwar in Messen, Liturgien und religiösen Zeremonien verkündet, aber deutlich stiller als sonst.
Mit der Absage der großen Paraden möchten die palästinensischen Kirchen aller Konfessionen ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Gaza setzen. In einem gemeinsamen Brief an den US-amerikanischen Kongress und das Weiße Haus, den der evangelische Pastor Munther Isaac vor drei Wochen nach Washington überbracht hat, fordern die Kirchen zudem einen sofortigen Waffenstopp.
Seit dem Angriff der radikal-islamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober befindet sich Israel im Krieg mit der Terrororganisation, die seit 2006 das palästinensische Autonomiegebiet im Gazastreifen beherrscht. Bei dem Überfall wurden etwa 1.200 Menschen getötet und rund 250 Geiseln genommen, darunter auch arabische Israelis und Beduinen. Die Terrororganisation beschießt seit zwei Monaten israelische Städte mit Tausenden Raketen, darunter auch Jerusalem. Rund 130 Geiseln befinden sich weiterhin in der Gewalt der Hamas.
In den Wochen vor Weihnachten strömen üblicherweise zahlreiche Touristen auf den Krippenplatz in Bethlehem, um den riesigen, mit bunten Lichtern geschmückten Weihnachtsbaum zu bewundern. Doch dieses Jahr gibt es keinen Baum und keine bunten Lichterketten. Der Platz wird von bewaffneten palästinensischen Sicherheitskräften bewacht. Parkende Autos stehen eng aneinander gereiht, Gruppen junger Männer sitzen auf den Bänken und unterhalten sich. Zwei kleine Kinder bestaunen mit ihrer Mutter den marmornen Springbrunnen.
Die meisten Menschen, die sich am dritten Adventswochenende durch die engen Gassen Bethlehems schlängeln, stammen aus der Gegend. «Seit Monaten kommen keine Touristen mehr», erklärt Daniel Aqleh, der eigentlich als Fremdenführer Besuchern die Sehenswürdigkeiten in Bethlehem zeigt. Die israelischen Grenzkontrollstellen sind zwar wieder für Touristen geöffnet. Aufgrund des Kriegs zwischen der radikal-islamischen Hamas und Israel herrscht aber weiterhin eine Reisewarnung für Israel und das Westjordanland.
Obwohl Gaza 73 Kilometer weit entfernt von Bethlehem liegt, ist der Krieg in dem Küstenstreifen am Mittelmeer den Menschen in der Stadt nahe. Sie bedrückt nicht nur die wirtschaftliche Krise, die der Einbruch des Tourismus verursacht. Es ist das Leid der Bevölkerung in Gaza, das unübersehbare Spuren in der palästinensischen Gemeinschaft hinterlässt.
Die Krippe der Evangelisch-Lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem besteht in diesem Jahr aus einem grauen Trümmerhaufen. Fast verschüttet von Steinbrocken liegt Jesus eingebettet in einer Kufiya, einem traditionellen, palästinensischen Tuch mit schwarz-weißem Karomuster, einem Symbol palästinensischer Identität. Die restlichen Holzfiguren sind um ihn verstreut aufgereiht, ganz so, als wären sie auf der Suche nach ihm.
«Wenn Jesus heute geboren würde, dann unter den Trümmern in Gaza», ist Munther Isaac überzeugt, der als Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land seit 2017 der kleinen Gemeinde in Bethlehem vorsteht. «Gott ist solidarisch mit den Unterdrückten, den Ausgegrenzten. Bei der Weihnachtsgeschichte handelt es sich um die Geschichte eines Babys, das unter den schwierigsten Umständen der Besatzung geboren wurde und das Massaker an Kindern bei seiner Geburt selbst überlebte.
»Wir haben diese Krippe geschaffen, um die wahre Bedeutung von Weihnachten zu vermitteln, aber auch, um der Welt zu zeigen, wie Weihnachten in Palästina aussieht: zerstörte Häuser, vertriebene Familien, Kinder unter den Trümmern«, so Pastor Isaac: »Ich hoffe, dass die Welt erkennt, dass wir dringend ein Ende dieses Krieges brauchen, der jeden Tag unschuldige Menschen tötet."
Autor:Katja Schmidtke |
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