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Volkstrauertag
Block 14 - Reihe 25 - Grab 3612

Grabung in Breslau (Foto vom 08.03.2023): Ein Mitarbeiter der Deutschen Kriegsgräberfürsorge legt vorsichtig mit Bürste und Pinsel die Gebeine der Toten frei. | Foto: Diane Tempel-Bornett
  • Grabung in Breslau (Foto vom 08.03.2023): Ein Mitarbeiter der Deutschen Kriegsgräberfürsorge legt vorsichtig mit Bürste und Pinsel die Gebeine der Toten frei.
  • Foto: Diane Tempel-Bornett
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Auch 78 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges werden noch rund eine Million deutsche Soldaten vermisst. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge will ihre Schicksale klären. Max Stehlin hat so seinen Vater wiedergefunden.

Von Matthias Pankau (epd)

Max Stehlin ist ergriffen. Gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth sitzt der 85-Jährige am Wohnzimmertisch ihres kleinen Häuschens in Rheinhausen im Breisgau. Vor sich hat er einen dicken, gelben Aktenordner. «Das ist alles, was mir von meinem Vater geblieben ist», sagt er und holt ein Foto und eine handgeschriebene Karte daraus hervor. Das Foto, das Friedrich Gregor Stehlin in Wehrmachtsuniform zeigt, wurde im französischen Epernay aufgenommen.

Dort war er bis Ende 1942 stationiert. Anschließend wurde seine Kompanie an die Ostfront verlegt. Von unterwegs ein letztes Lebenszeichen - eine Karte an seine Frau Maria vom 15. Januar 1943:
«Gruß aus Chemnitz - Fritz».

Das nächste Schreiben kam fünf Monate später, im Juni 1943: «Sehr geehrte Frau Stehlin, Ihr Mann ist am 21. Februar 1943 gefallen und wurde von einer fremden Einheit beerdigt. Uns allen, wie auch Ihnen, ist es eine gewisse Beruhigung, über den Heldentod Ihres Mannes nunmehr genau Bescheid zu wissen.» Max Stehlin war da gerade fünf Jahre alt. Seine einzige Erinnerung an seinen Vater ist die an einen Heimaturlaub von der Front. «Bei uns wurde später wenig über den Tod meines Vaters gesprochen», sagt er rückblickend. Seine Mutter habe ihn nie wirklich verwunden: «Alle ihre Bemühungen, nach dem Krieg von ehemaligen Kameraden etwas über den Verbleib meines Vaters zu erfahren, blieben ohne Erfolg.»

So wie Familie Stehlin ging es Hunderttausenden Familien. Nach Worten von Oliver Wasem, Landesgeschäftsführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge für Baden-Württemberg, gelten rund eine Million deutsche Soldaten bis heute als vermisst. Der Volksbund widmet sich im Auftrag der Bundesregierung der Aufgabe, die Gräber der deutschen Kriegstoten im In- und Ausland zu erfassen und zu pflegen. Er unterhält und betreut eigenen Angaben zufolge 832 Kriegsgräberstätten in knapp 100 Ländern mit mehr als 2 Millionen Gräbern.

Max Stehlin nahm erstmals 1987 Kontakt zum Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge auf. Für Angehörige von an der Ostfront gefallenen deutschen Soldaten gab es zu Zeiten des Eisernen Vorhangs wenig Hoffnung, etwas über deren Verbleib zu erfahren. Bereits 1982 hatte der Präsident des Sowjetischen Roten Kreuzes den Volksbund in einer Erklärung wissen lassen, dass es in der Sowjetunion angeblich keine deutschen Soldatengräber mehr gebe.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion taten sich neue Möglichkeiten auf: Dank Abkommen mit Russland und auch der Ukraine durften Gefallene fortan auf Soldatenfriedhöfen im jeweils anderen Land beerdigt werden. Lange blieben Stehlins Nachforschungen dennoch vergebens - bis 2009. «Genau an Heiligabend erreichte uns ein Schreiben des Volksbundes, dass man meinen Vater gefunden und identifiziert habe», berichtet der Rentner sichtlich gerührt. «Das war vier Tage nach seinem 100. Geburtstag.» Seine letzte Ruhestätte hat Friedrich Gregor Stehlin auf einem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Sammelfriedhof im ukrainischen Charkow gefunden - zusammen mit 50.000 anderen gefallenen deutschen Soldaten.

Das Grab seines Vaters würde Max Stehlin immer finden, selbst im Schlaf: «Block 14 - Reihe 25 - Grab 3612», sagt er. Zweimal waren er und seine Frau bereits dort - 2010 und 2019. Derzeit ist ein Besuch wegen des Krieges in der Ukraine nicht möglich. Und trotzdem ist Max Stehlin von Herzen dankbar. «Man ist an ein Ziel gekommen», sagt er. Und schließt den gelben Aktenordner.

Autor:

Katja Schmidtke

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