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NS-Zeit
"Dokumente der Entrechtung"

Blick in die Akte von Elly Arnheim | Foto: Brandenburgisches Landeshauptarchiv/36A (II) 931
  • Blick in die Akte von Elly Arnheim
  • Foto: Brandenburgisches Landeshauptarchiv/36A (II) 931
  • hochgeladen von Katja Schmidtke

Vom Kunstwerk bis zur letzten Waschschüssel: Vor der Deportation und Ermordung haben die Nazis auch Besitz und Vermögen Verfolgter eingezogen. Umfangreiche Akten dazu sind jetzt online zugänglich.

Potsdam (epd) - Das Brandenburgische Landeshauptarchiv hat mehr als 40.000 Akten der NS-Vermögensverwertungsstelle für Berlin und Brandenburg online veröffentlicht. Damit werde der weltweiten Forschung ein bedeutender Aktenbestand über die Verfolgung vor allem von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus zur Verfügung gestellt, sagte Archivdirektor Mario Glauert zum Onlinestart am Dienstag in Potsdam. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), deren Haus das Projekt mit mehr als 4,4 Millionen Euro gefördert hat, erklärte, die Akten belegten die systematische Entrechtung, Enteignung und Verfolgung.
Glauert sagte, die Unterlagen auf rund 2,5 Millionen gescannten Seiten enthielten Informationen zu zehntausenden Menschen, die vom NS-Staat als jüdisch oder „reichsfeindlich“ verfolgt und ausgeplündert wurden. Sie dokumentierten, wie die NS-Finanzverwaltung ab 1942 das Vermögen der Verfolgten vor deren Deportation erfasst und dann zugunsten des NS-Staats verwertet und zu Geld gemacht hat.

Reichsweit wurden den Angaben zufolge von 1942 bis 1945 von der NS-Finanzverwaltung rund 1,5 Milliarden Reichsmark von Verfolgten eingezogen. Allein in der Region Berlin-Brandenburg seien es rund 600 Millionen Reichsmark gewesen, hieß es. Dies entspreche heute allein in dieser Region einem Betrag von rund vier Milliarden Euro.

Die Unterlagen seien „Dokumente der Entrechtung“, betonte das Archiv. Glauert sagte, die Akten zum Vermögensentzug seien oftmals die letzten Zeugnisse, die über die verfolgten und ermordeten Menschen und ihre Schicksale erhalten seien. „Jeder kann selbst nachlesen, was damals geschah“, sagte der Archivdirektor.
In den Dokumenten finden sich den Angaben zufolge auch Daten zu zahlreichen Berliner Persönlichkeiten wie Martha Liebermann (1857-1943), der Fotografin Yva (1900-1942) und dem früheren Mannschaftsarzt des Fußballvereins Hertha BSC, Hermann Horwitz (1885-1943). Die Witwe des Künstlers Max Liebermann (1847-1935) nahm sich vor der Deportation das Leben. Yva, die mit bürgerlichem Namen Else Ernestine Neuländer-Simon hieß, wurde vermutlich im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Horwitz wurde im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.

Projektleiterin Julia Moldenhawer sagte, die Dokumente zeigten, dass die Finanzverwaltung zu den wichtigen Bereichen des NS-Staats gehört habe und wie der Beamtenapparat an den Staatsverbrechen beteiligt gewesen sei. Alltägliche Verwaltungsarbeit habe mit professioneller Gründlichkeit den NS-Staat am Laufen gehalten. Der wissenschaftliche Archivar Dominic Strieder, Mitarbeiter des Projekts, betonte, die Akten zeigten, wie sich die NS-Gesellschaft bereichert habe. „Hinter den Aktendeckeln verbirgt sich die Barbarei“, sagte er.
Die Digitalisierung und Bereitstellung der Unterlagen ist Teil eines Projekts zur Forschung nach NS-Raubgut. Ziel ist den Angaben zufolge, anhand der digitalisierten Unterlagen systematisch nach dem Verbleib von im Zuge der NS-Verfolgung entzogenen Kunstgegenständen zu suchen. Das im November 2020 begonnene Projekt zur Provenienzforschung läuft nach Archivangaben bis Ende 2026.

Autor:

Online-Redaktion

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