Die Last des Welterbetitels
Erbstreitigkeiten im Naumburger Dom
Es ist eines der derzeit meist diskutierten Projekte im Umgang mit Denkmälern: Die Wiederaufstellung des von Lucas Cranach dem Älteren 1519 geschaffenen und vom Leipziger Künstler Michael Triegel zwischen 2020 und 2022 ergänzten Altarretabels im Westchor des Naumburger Domes.
Von Oliver Gierens
Seit 2018 gehört der Dom im Süden Sachsen-Anhalts zum Unesco-Weltkulturerbe – und dieser Status könnte durch das Altarprojekt gefährdet sein.
Sind Welterbe und kirchliche Nutzung ein Gegensatz? Darum ging es am 24. November bei einer wissenschaftlichen Tagung in Naumburg. Die Referenten des Kolloquiums veröffentlichten eine „Naumburger Erklärung“. In dem Papier weisen sie die Bedenken der Beratungsgesellschaft Icomos zurück, die im Auftrag der Unesco die Welterbestätten und Anwärter begutachtet. Die Wiederaufstellung des Altarretabels, also eines hölzernen Aufsatzes auf den Altarstein, sei keine „schwere Beeinträchtigung des Welterbes Naumburger Dom“, wie von Icomos behauptet. Die Beratungsgesellschaft hatte in einem Gutachten bemängelt, dass das Retabel die Sichtachsen auf die zwölf Stifterfiguren im Westchor störe, zu denen auch die berühmte Uta von Naumburg gehört.
Die Verfasser der "Naumburger Erklärung" appellieren „an alle zuständigen Institutionen und Akteure …, sich dafür einzusetzen, dass die Aufstellung des Triegel-Cranach-Marienretabels fortbestehen kann.“ Der Appell richte sich nicht nur an das Unesco-Welterbekomitee, sondern auch an die Landesregierung von Sachsen-Anhalt, die sich ebenfalls ablehnend gegenüber einer dauerhaften Aufstellung gezeigt hatte.
Zunächst soll der Altar bis zum 4. De-zember im Westchor des Naumburger Doms gezeigt werden, danach wird er etwa für ein halbes Jahr im Diözesanmuseum in Paderborn ausgestellt.
Die Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg widersprachen den Einwänden der Denkmalpflege zwar deutlich, verzichteten allerdings auf eine Unterzeichnung der Erklärung. „Wir müssen jetzt vom Konflikt zur Verzeihung kommen“, sagte Domdechantin Karin von Welck zur Begründung. Sie rief zum Dialog zwischen Befürwortern und Kritikern auf.
(epd)
Weiterer Beitrag zum Thema:
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.