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Geist des Aufbruchs
Vor 30 Jahren ratifizierte der Landtag Sachsen-Anhalt bei nur sechs Gegenstimmen den ersten Staatskirchenvertrag in den neuen Bundesländern.
Von Christoph Bergner
Dieser umfänglichen Vereinbarung mit unseren evangelischen Landeskirchen folgte in kurzer Frist der Errichtungsvertrag für das katholische Bistum Magdeburg und der erste Vertrag eines Bundeslandes mit seiner Jüdischen Gemeinde. Das zeigt die damaligen Prioritäten: Neben der Bewältigung wirtschaftlicher Umbrüche sowie zweier Regierungskrisen, die die erste Wahlperiode prägten, gab es in Regierung wie Parlament den festen politischen Willen, das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen zukunftsweisend zu regeln. Damals bekannten 67 Prozent der Parlamentarier im Landtagshandbuch ihre Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche. Nach den Erfahrungen der DDR-Zeit und der friedlichen Revolution genossen die Kirchen auch bei Menschen ohne konfessionelle Bindung hohe Wertschätzung.
Bilanzieren wir nach 30 Jahren, so hat sich aus meiner Sicht der Vertrag in der Praxis seiner Umsetzung bewährt. Das gilt gerade auch für Punkte, die seinerzeit strittig waren, wie der Kirchensteuereinzug oder der Religionsunterricht. Das Meinungsklima zu Kirchen und Religionsgemeinschaften hat sich inzwischen allerdings verändert. Das bleibt nicht ohne Wirkung, etwa wenn man nach Wegen sucht, die Staatsleistungen an die Kirchen neu zu ordnen. Es wird dabei darauf ankommen, den Geist des Aufbruchs nicht zu vergessen, in dem vor drei Jahrzehnten der Vertragsabschluss erfolgte. Die gesellschaftlichen Einsichten und Erfahrungen der Nachwendezeit, die hier Niederschlag fanden, sind nicht obsolet geworden.
Der Autor war von 1993 bis 1994 Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.
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Autor:Online-Redaktion |
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