Die Bedeutung von Ostern
Glaube wird sichtbar
Das Osterfest in diesem Jahr allein feiern zu müssen, fordert einmal mehr die Auseinandersetzung mit der Frage: Was gibt es eigentlich zu feiern?
Von Albrecht Lindemann
Die Stadt Zerbst/Anhalt brachte im Jahr des Reformationsjubiläums eine Neuinszenierung ihres mittelalterlichen Prozessionsspieles zur Aufführung. Über 400 Mitwirkende brachten ihre Sicht auf die Themen der im Ursprung an Bibel und Heiligenlegenden entlang geschriebenen Geschichte des Menschen auf eine große Bühne in der Stadtmitte. Nach Verteilung der Themen waren alle bald am Proben. Grundschüler ließen Adam und Eva die Harmonie des Lebens zerstören und spielten Georgs Kampf gegen die Drachen unserer Zeit. Tänzer übten die Ekstase bis das Haupt des Täufers fiel.
Aber eine Gruppe probte nicht. Ein Krisenstab aus den evangelischen Gemeinden las und debattierte wochenlang. Wie machen wir denn das mit der Passionsgeschichte? Ziel war nicht eine illustrierende Darstellung, sondern eine interpretierende Inszenierung. Schließlich wurde doch noch geprobt und auch gespielt, sehr eindrücklich sogar. Die Jünger, das Volk, die Soldaten – sie waren Menschen aus unserer Mitte. Verständnislosigkeit, Passivität, Furcht – warum schritt keiner ein gegen den Verrat? Wie kurz ist der Weg vom Hosianna zum Spott? Judas beharrte bis zuletzt darauf, dass die Verleugnung des Petrus auch nicht besser sei als sein Verrat. Petrus selbst schwitzte in Bedrängnis der erschreckend ordinären Magd. Die Jünger mussten sich fragen lassen: Wo warst du?
Eine Gruppe wurde dem historischen Spiel hinzugefügt: drei Frauen. Von der Salbung bis zum Kreuz waren allein sie still an Jesu Seite. Sie waren nicht unter den frenetisch jubelnden Fans beim Einzug in Jerusalem. Sie litten, als dieselbe Menge schrie: „Kreuzige ihn!“ Die Frauen – mit ihnen fand wohl die Sehnsucht auf die Bühne, selbst zu den Treuen, zu den Liebenden gehören zu können. Am Ende steht er da, Jesus, die Arme ausgebreitet. Siehe, der Mensch!
Menschliche Abgründe und Sehnsüchte sind in der Geschichte der Leiden Jesu in hoher Dichte zu finden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen. Der Verräter wird offenbart und keiner handelt. Im Garten steht Jesus jedem Einsamen direkt zur Seite, wird zum Bruder aller Leidenden. Keiner wacht, keiner betet mit ihm. Es ist alles zum Verzweifeln und deshalb so nah. Es ist ein Kreuz, das Kreuz. Hier findet das Leben sein Ende, begraben.
Die Trommelgruppe der Förderschule am Heidetor ließ im Zerbster Welttheater Tod und Finsternis grollen. Da ist nichts, was darzustellen wäre, nur Leere und Trauer. Wie ein Paukenschlag bricht das Osterlicht durch die Finsternis.
Bis heute ist die Osterbotschaft der Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens. Zu allen Zeiten war es absolut unwahrscheinlich, geradezu widersinnig – gegen jede Erfahrung – die Auferstehung von den Toten zu glauben. Wer seine Zuversicht hier sucht, ist bereit zu ertragen, dass unser Verstand nicht den Umfang des Möglichen erfassen kann. Es bleibt bei der alten Erkenntnis des Paulus: Ohne Auferstehung wäre der christliche Glaube nichtig. Für die christlichen Gemeinden ist die Feier des Osterfestes aus diesem Grunde der Moment, in dem der Glaube erlebbar wird.
Wenn wir von Jesu Leben, Leiden, Sterben und Auferstehen erzählen, wenn die Auferstehung in Worten, Bildern, Tönen erfahrbar wird, ruft sie nach Reaktionen. Interesse, Annahme, Ablehnung. Und fordert eine Positionierung: Wo stehe ich? Welchen Weg gehe ich? Welche Bedeutung kann ich dem Geschehen beimessen? Wohin trage ich meine Ängste, Sorgen, Enttäuschungen und mein eigenes Versagen? Das Kreuz steht am Horizont, glaube ich, dass es dahinter weitergeht?
„Ich bin Atheist!“ – Vom ersten Vorbereitungstreffen an war er dabei, unser Atheist, fragend, bohrend, debattierend. Er war ein fantastischer Jesusdarsteller. Jesus, einer für alle, die an ihn glauben – für die anderen auch!
Autor:Online-Redaktion |
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