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Zwischenruf
Größer heißt nicht besser

Foto: Grafik: G+H
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Kirchenkreisreform: Allenthalben höre ich etwas von „verkrusteten Strukturen“ und von „Neu denken“, aber ich höre und sehe nichts wirklich Neues. Das fordert mich zu diesem Zwischenruf heraus.

Von Dieter Lomberg

Meine Betrachtungen sind nicht der Stein des Weisen, dazu fehlt es mir an der dafür nötigen Weisheit, sondern sie erfolgen in einem definierten Denkraum, der betreten werden kann aber nicht muss. Die Überlegungen können mitgedacht und als Anstoß betrachtet werden, weiterzudenken, neue Modelle zu entwickeln oder als Grundlage für etwas ganz Neues zu nehmen.

Es ist kein Modell, sondern nur eine Denkidee. Wem sie nicht gefällt, der liest einfach nicht weiter und regt sich nicht auf, was bekanntlich gesünder ist.

Foto: EKM

Meine persönliche bisherige Bilanz aus erlebten säkularen und kirchlichen Strukturreformen und den Debatten dazu ist die, dass viele getroffenen Annahmen, die als sicher galten, nicht eingetroffen sind.
Meine Hauptthese ist: Auch kleine Kirchenkreise können gut überleben, wenn die geistliche Zusammenarbeit frei macht für Entscheidungen und nicht Egoismus und Macht die Arbeit bestimmen.

Die Basis dieser Betrachtungen ist beschränkt auf folgende Ausgangspunkte:

  • Die Gemeindeglieder werden weniger
  • Die finanziellen Mittel werden weniger, bzw. es ist heute mehr Geld aufzuwenden, um Ziel zu erreichen (Preissteigerungen, Inflationsraten etc.)
  • Ehren- und Hauptamtliche sind an ihren Belastungsgrenzen nicht nur angekommen, sondern vielfach weit drüber.
  • Die Erfüllung der (zu definierenden) Kernaufgaben der Gemeinden sind sicherzustellen, ebenso der Aufgaben des dafür notwendigen Überbaus.
  • Persönliche und Gemeindliche Einzelinteressen dürfen nicht zu Lasten der Gemeinschaft gehen, soweit diese dem nicht (einhellig) zustimmen.
  • Alle bekennen sich nicht nur zu einer geschwisterlichen Zusammenarbeit, sondern praktizieren sie auch in gegenseitig förderlicher wahrhaftiger Weise. „Neid wird verboten!“
  • Es gibt immer ein (definiertes) Mindesterfordernis an Personal, das benötigt wird, um eine Aufgabe zu erledigen.
  • Der Rückzug aus der Fläche darf nicht stattfinden, aber die Arbeit in der Fläche ist neu zu organisieren.
  • Es bedarf also Reformen, die effektiv und effizient sind.

Größer heißt nicht besser

Einfach nur immer größer werden, ist keine nachhaltige Lösung, denn dann ist am Ende die EKM nur noch ein Pfarrbereich, um es überspitzt zu sagen.

Es gibt keine wesentlichen personellen Einsparungen bei Beibehaltung aller Auf-gaben, denn die zu erfüllenden (Kern-)Aufgaben (Gottesdienst, Kasualien, Seel-sorge …) bleiben vom Umfang her bestehen, so dass es weiterhin des Personals im bisherigen Umfang bedarf. Anders ist es nur, wenn, die Aufgaben werden deutlich verringert werden, entweder in der Intensität und/oder im Umfang. Bei-des hat im Übrigen nichts mit der Fläche zu tun, denn sie bleibt bei Zusammenschlüssen regelmäßig konstant.

Nicht um jeden Preis

Soll gespart werden, kann dies bedeuten:

  • die „Betreuungsquote“ wird verringert, etwa wie oft und wie lange Gemeindeglieder betreut werden oder wie oft Gottesdienst stattfindet
  • Gremien werden abgeschafft oder zusammengelegt oder Gremienzyklen wer-den verringert (statt monatlich nur noch vierteljährlich tagen) oder die Tagungsdauer deutlich verkürzt
  • Berichtszyklen werden verlängert und die Inhalte auf das absolute Muss verringert (Ausgangsfragen: Wer braucht den Bericht wirklich? Was hat dieser Bericht nach den drei letzten Ausgaben positiv verändert und was hat es gekostet?)

Erreichbare Ziele

Wir brauchen auf allen Ebenen erreichbare Ziele, die auch alle verstehen können.

  • Ohne Ziele verschwenden wir Ressourcen.
  • Wir können so übergreifend zusammenarbeiten, uns gegenseitig unterstützen, da es nicht um mich, sondern um das „Große Ganze“ geht. „Ich behaue zwar nur einen Stein, aber ich baue an einem Dom mit.“
  • Wir brauchen eine gemeinsame Sehnsucht!

Starke Verwaltung

Wir brauchen eine gebündelte, starke und gut aufgestellte Verwaltung der Landeskirche, heute Landeskirchenamt und Kreiskirchenämter, die die Gemeinden entlastet und durch die sich die Gemeinden entlasten lassen.

Es ist gut, weil der Fokus auf den Kernaufgaben liegen muss, dass die Spezial- und Routineaufgaben die Gemeinden nicht belasten, sondern von gebündeltem besten Sachverstand in kirchlicher Verwaltung ausgeführt werden. Dabei ist wichtig, dass

  • es eine sehr gute Kommunikation gibt: Alle müssen immer Zugriff auf alle sie betreffenden Informationen haben (hier gibt es großes Potential bei den elektronischen Systemen)
  • die Gemeinden brauchen die größtmögliche Mitsprache bei den sie betreffenden Entscheidungen, die sie nicht allein treffen können/dürfen und sie nehmen dieses Recht konstruktiv wahr.
  • Das Landeskirchenamt
  1. nimmt sich insbesondere grundsätzlicher und gesamtkirchlicher Fragen ein-schließlich der theologischen Ausrichtung an.
  2. ist die Schnittstelle zu den Regionen und Sprengeln, berät und unterstützt sie, übt die verfassungsrechtlich festgelegte Aufsicht aus.
  3. verbindet die EKM mit der EKD, VELKD und den ökumenischen Geschwistern/ Kirchen sowie zu den theologischen Fakultäten, den kirchenmusikalischen und gemeindepädagogischen Ausbildungsstätten und der Ehrenamtsarbeit sowie seinen Werken (Akademien, Schulstiftungen, …)
  4. nimmt seine sonstigen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben wahr.
  5. und arbeitet der Landessynode zu diesen Fragen Wissen für Entscheidungen zu.
  • Der Landeskirchenrat nimmt seine bisherigen Aufgaben wahr.

Zu behäbig

Die Kirchenkreise sind schon heute oft zu groß und zu behäbig.

  • Viele Entscheidungen dauern zu lange, weil zu viel abzuwägen ist, um allen gerecht zu werden. Das bedingt komplizierte, lange und oft unverständliche Entscheidungsprozesse und -ergebnisse, die die Praxis bestenfalls nur hemmen und nicht blockieren.
  • Die große Anzahl der an den Entscheidungen Beteiligten führt zu ausufernden Debatten und großer Eintragung von Partikularinteressen in die Debatten, was dazu führt, dass Entscheidungsprozesse verzögert werden, etwa weil eine Gruppe zuerst eine für sie positive Entscheidung erwartet, bevor sie die andere mitträgt. Das kann zur Folge haben, dass für Kirchenmitglieder die sie an sich betreffenden Entscheidungsprozesse uninteressant werden.
  • Auf Grund seiner Größe wird von den Gremien wie Kreissynode und Kreiskirchenrat zunehmend eine Bedeutung des Kirchenkreises im landeskirchlichen Gefüge angenommen und eingefordert, die er tatsächlich nicht hat und (verfassungsgemäß) nicht haben kann.

Solidargedanken nicht verwässern

Der Solidargedanke, der uns als Kirche auf allen Ebenen auszeichnen sollte, wird immer mehr verwässert, ja sogar oft hinten angestellt, da eigene Interessen in einem vermeintlichen Verteilungskampf durchgesetzt werden sollen.

  • Es wird sich schwer getan, zu Gunsten anderer zu verzichten. Was hindert uns, etwa zu Gunsten des Kollektenzwecks auf das Geld für die eigenen Gemeinde an einem Sonntag zu verzichten oder ein Projekt zu Gunsten der Nachbargemeinde ein Jahr später zu beginnen, damit so die Mittel des Kirchkreises reichen und besser eingesetzt werden können?

Theologie und Handeln

Die theologische Reflexion des Handelns spielt sehr oft nur eine untergeordnete bis überhaupt keine Rolle.

  • Ohne ein theologisches Hinterfragen unserer Pläne und unseres Handelns sind wir von Gott abgekoppelt und der Segen des Handelns ist zweifelhaft.
  • Theologische Reflexion ermöglicht echte Geschwisterlichkeit und ein auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtetes gutes Miteinander und hilft „den guten Weg“ zu gehen.
  • Bedenken wir, was der Kaufmann gab, um die kostbare Perle zu erwerben …

Meinungen respektieren

Der gegenseitige Respekt vor Person und Meinung ist zwingend. Er bringt uns weiter, weil

  • Wir keine Kraft mehr einsetzen, um uns zu bekämpfen und zu verteidigen,
  • Weil für Intrigen und Strippenziehen kein Bedarf mehr besteht, was Zeit und Vertrauen schafft.

Synoden und ihre Aufgaben

Die Kreissynoden werden verkleinert und Regionssynoden mit entsprechend anzupassenden Aufgaben.

Zwischen den Regionssynoden und der Landessynode kann eine Sprengelsynode gebildet werden, die übergreifende Aufgaben übernimmt, wie etwa Haushalts- und andere grundsätzliche Beschlüsse; sie beschließt über Budget der Regionen, die diese eigenständig nach weiten Rahmenvorgaben mit großzügigen Deckungsmöglichkeiten der einzelnen Titel/Sachbücher nutzen. Die Synode tagt maximal einmal jährlich mit Ausnahme des Wahltermins für die Wahlen zur Landessynode. Sie hat keine Ausschüsse und keine Aufsichtsfunktionen.

Finanzielle Auswirkungen

Auch dieses Modell bzw. die daraus abzuleitenden Modelle bedürfen einer auskömmlichen und konstanten Finanzierung, das bedeutet insbesondere:

  • Es sind modellhaft anhand bestimmter objektiver Kriterien die grundlegenden Mindest-Finanzbedarfe für die Erfüllung der einzelnen Kernaufgaben zu ermitteln und je Region z.B. aus der Plansumme im Haushalt der Landeskirche sicherzustellen.
  • Dabei kommt es zwangsläufig zu der Einführung eines Finanzausgleiches zwischen den Regionen, um die Erfüllung der Kernaufgaben nach Finanzschlüssel sicherzustellen. Die Nehmerregionen können dann Kürraufgaben nur noch über zusätzlich eingeworbene Drittmittel finanzieren.
  • Es werden auf Landeskirchlicher Ebene ein Missions- und ein Seelsorgeunterstützungsfonds z.B. als Stiftungen gegründet, aus dem Pilotvorhaben maximal fünf Jahre mit einem Anteil von in Summe 75 v.H. der als zuwendungsfähig anerkannten Gesamtausgaben gefördert werden können. Arbeiten mehrere Regionen in demselben Pilotprojekt zusammen, können bis 80 v.H. der als zuwendungsfähigen Ausgaben Je Region können maximal 3 Vorhaben in einer Dekade gefördert werden. Pilotvorhaben sind Vorhaben, die weder so noch so ähnlich in den vergangenen zehn Jahren in der EKM durchgeführt wurden. Wird mit kommunalen oder anderen staatlichen Stellen zusammengearbeitet, so muss die staatliche Stelle sich in Abhängigkeit von deren Interesse an dem Projekt angemessen an den Ausgaben beteiligen. Zeigt sich, dass ein Pilotprojekt nicht zum angestrebten Erfolg führt, ist es vorzeitig zu beenden. Da Nähere müssen die Stiftungs- und Zuwendungsvorschriften regeln.
  • Weitere Fonds sind denkbar.
  • Es sind auf Regionsebene ebenso wir auf allen anderen kirchlichen Ebenen die Einnahmen erzielen, wozu auch jedwede landeskirchlichen Zuweisungen zählen, Fonds zu gründen und zu speisen, die langfristig zu großen Teilen eine mitgliederunabhängige Finanzierung des Verkündigungsdienstes sichern.

Modelle evaluieren

Die Modelle sind nach 5 Jahren durch das Landeskirchenamt und den Finanzausschuss der Landessynode zu evaluieren. Es kann auch ein Beirat gebildet wer-den. Der Landessynode ist zu berichten.

Dies alles ist nicht abschließend oder gar allumfassend! Das war und ist nicht der Zweck eines Zwischenrufes. Es soll ein Impuls für die Diskussion sein und anrege, vielleicht eine Thinktank entstehen zu lassen, wo und wie auch immer. So ist das folgende Fazit zu verstehen.

Fazit

Das alles bedenkend, kann ich mir eine zweistufige mittlere Ebene vorstellen, die aus „bearbeitbaren“ Regionen besteht, die die Gemeinden und deren Zusammenarbeit -auch über Regionengrenzen hinweg - bei der Erfüllung der Kern- und Küraufgaben personell, fachlich und theologisch unterstützt. Zugeordnet werden diese Regionen mit den sie tragenden Gemeinden einem kirchlichen Verwaltungsamt. Diese wiederum arbeiten – wie schon jetzt vielfach – vernetzt zusammen, indem sie für die Gemeinden und Regionen nur die Grundfunktionen anbieten, sich auf eine besondere andere Aufgabe spezialisieren.

Denkbar sind die Prozessführung vor den Gerichten, das Management von Gebäuden, Miet-, Pacht- und Erbpachtverträgen, das Fördermittelmanagement (Akquise, Antragstellung, Verwendungsnachweis), oder die Gehaltsabrechnung, Führung der Personalakten und des Ausschreibungs- und Beschaffungswesens (IT und Sachbeschaffung) und dies jeweils territorial etwa für die Fläche eines halben aktuellen Sprengels. Letzteres hat den Vorteil, dass in besonderen Notlagen die Verwaltungsämter des Sprengels sich gegenseitig unterstützen können. Insgesamt brauchen die Verwaltungsämter weniger Spezialwissen, was das Fortbildungsvolumen sinken lässt und trotzdem besserer Fachverstand vorhanden ist.

Andere Aufgaben können über Zweckverbände geregelt werden oder einfache Verwaltungsabkommen, zur Baupflege, zu Kindertageseinrichtungen, zur gemeinsamen Nutzung von Fuhrparken von Dienstwagen oder der IT-Sicherheit und des Datenschutzes.

Finanzmittel, die auch Kirchensteuern und Spenden sind, müssen verantwortungs-voller und nachhaltiger als bisher ausgegeben werden. Eine starke Finanzaufsicht von Landeskirchenamt und Landessynodes ist durchzusetzen.

Erforderlichenfalls sind neue Instrumente in der Verfassung zu verankern.

Der Autor ist Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

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