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Drehorgel
"Man sollte sie nicht drehen wie einen Fleischwolf"

Axel Stüber in seiner Werkstatt im Stadtteil Biesdorf in Berlin  | Foto: epd-bild/Andreas Kindler
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Axel Stüber ist der letzte seiner Zunft in Berlin. Der 69-Jährige baut in seiner Werkstatt im Stadtteil Biesdorf seit 30 Jahren Drehorgeln. In 47 Länder hat er die mechanischen Instrumente mit dem speziellen Berliner Stüber-Klang bislang verkauft.

Von Markus Geiler (epd)

Auf Hochglanz poliert stehen die gut ein Dutzend Drehorgeln im Schauraum in Berlin-Biesdorf in einer Reihe. Die Pfeifen und die Gehäuse mit den verschnörkelten Intarsien glänzen um die Wette. Die Drehorgelwagen aus Metall, mit dem nostalgisch-geschwungen Griff und den großen, altmodischen Kinderwagenrädern, schimmern im schwarzen Matt. An jedem Instrument hängt ein Plüschaffe.

„Der Affe gehört zur Drehorgel dazu“, berichtet Orgelbauer Axel Stüber. Damals, in der Hochzeit des mechanischen Musikinstruments in den 1920er Jahren, gab es in Berlin bis zu 800 Drehorgelspieler. Die Leierkastenmänner zogen durch die Berliner Hinterhöfe und spielten den Hausbewohnern ein Ständchen. Mit dabei hatten sie an einem Lederbändchen einen lebenden Rhesus- oder Kapuzineraffen. Dessen Aufgabe war es, die Groschen einzusammeln, die aus den Küchenfenstern geworfen wurden.

„Oft waren es Kriegsversehrte und Invaliden, die sich damit Geld verdienten“, sagt Stüber. Da auch damals die Instrumente schon ihren Preis hatten, wurden sie häufig von Kneipiers an die Männer vermietet: „Abends wurden die Tageseinnahmen dann geteilt.“

Heute kostet eine neue Drehorgel von Orgelbau Stüber ab 5.000 Euro aufwärts. Dafür bekommt man „das Original“, wie Axel Stüber betont. Der 69-Jährige ist der letzte seiner Zunft in Berlin. In den 1920er Jahren gab es allein in Berlin fünf bis sechs Drehorgelbauer. Heute gibt es in ganz Deutschland noch zwei weitere Hersteller, die sich aber in der Technik unterscheiden. Die Instrumente aus der Biesdorfer Werkstatt funktionieren ganz traditionell rein mechanisch. Elektronik ist tabu.

Angefertigt wird von Stüber und seinen beiden Mitarbeitern alles von Hand. „Außer, was aus Metall ist“, sagt der Orgelbauer. Auch die Intarsien nach historischem Vorbild werden außerhalb zugeschnitten und zugeliefert. Die Entwürfe stammen von der Frau eines Mitarbeiters.

Ansonsten wird jedes Gehäuse, jede Pfeife und jedes kleinste Einzelteil in Handarbeit hergestellt und passgenau eingesetzt. Kunststoff kommt in den Stüber-Drehorgeln lediglich als bleigrauer Pneumatikschlauch zum Einsatz - gleich den Bleikondukten (Bleirohren) in einer pneumatischen Kirchenorgel. „Elf Kilometer Schlauch musste ich damals dem Hersteller am Stück abnehmen“, berichtet Stüber und lacht: „Aktuell verarbeiten wir im Jahr etwa 400 Meter. Das wird also noch eine Weile reichen.“

250 Arbeitsstunden stecken durchschnittlich in einer Drehorgel bis zu ihrer Fertigstellung. Gebaut werden sie mit 20, 26, 31 oder 33 Tonstufen, ganz nach Wunsch der Kunden. In 47 Länder hat Stüber seine mehr als 1.000 gebauten Instrumente bisher verkauft. Wie Kirchenorgeln haben auch Drehorgeln einen speziellen Klang, abhängig von der jeweiligen Manufaktur. „Der Klang unserer Stüber-Orgeln ist für Profis eindeutig zu erkennen“, sagt der Orgelbauer.

Gelernt hat der Pfarrerssohn aus Mecklenburg den Orgelbau bei der Traditionsfirma Sauer in Frankfurt/Oder, die in seiner Lehrzeit 1972 von den DDR-Behörden zwangsverstaatlicht wurde. Eigentlich sollte Stüber im Anschluss in der damaligen mecklenburgischen Landeskirche eine Orgelwerkstatt gründen. Allerdings machte ihm die DDR-Planwirtschaft einen Strich durch die Rechnung.

Das Inventar für die kirchliche Orgelwerkstatt sollte von einem Ost-Berliner Orgelbauer übernommen werden, der aus Altersgründen aufgab. „Der war aber der letzte Orgelbauer in Ost-Berlin. Als den DDR-Behörden das klar wurde, verlangten sie, dass ich die Werkstatt übernehme und in Berlin weiterführe“, erzählt Stüber. Das war 1977.

Knapp 20 Jahre später, 1995, baute Stüber seine letzte Kirchenorgel. Seitdem hat er sich den Drehorgeln verschrieben. Als Gründe nennt er eine große Faszination an mechanischen Musikinstrumenten und die Einsicht, selbst kein besonders begabter Musiker zu sein. „Mit der Drehorgel kannst du Musik machen, ohne dass du zuvor in eine Musikschule musst“, sagt Stüber.

Allerdings verlangt auch ihre Bedienung durchaus Feingefühl und Virtuosität, wie der Orgelbauer betont. So sollte man tunlichst vermeiden, die Kurbel, genannt Schwengel, wie „einen Fleischwolf zu drehen“. Zum Entertainern an der Drehorgel gehört für Stüber auch, alte Gassenhauer wie „Lili Marleen“, „Im Grunewald ist Holzauktion“ oder „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft“ lautstark mitzusingen und nicht nur teilnahmslos herunterzuleiern.

Die Bandbreite der Stücke auf den Musikrollen, die in die Drehorgeln eingelegt werden, reicht dabei von „Atemlos durch die Nacht“ über „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, „Über den Wolken“ oder „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“ bis zu klassischen Stücken von Bach bis Schostakowitsch. Hergestellt und arrangiert werden die Rollen von verschiedenen Firmen. Eines der Lieblingstücke Axel Stübers ist - ganz Pfarrerssohn - Händels „Halleluja“.

Autor:

Online-Redaktion

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