Landespopkantor
Neue geistliche Lieder finden nur schwer ins Gesangbuch
Wenn vom "Neuen Geistlichen Lied" die Rede ist, dann können die Songs durchaus schon einige Jahre auf dem Buckel haben.
Von Oliver Gierens
"Das ist eine Gattung, die seit den 1960er-Jahren bekannt ist", sagt auch Christian König, seit September vergangenen Jahres Landespopkantor der EKM. "Danke für diesen guten Morgen" oder "Du bist du, vergiss es nie" sind typische Beispiele. Beide zählen zum Neuen Geistlichen Lied, doch ganz so neu sind die Lieder nicht mehr.
"Es werden zu jeder Zeit neue Lieder geschrieben", sagt König im Gespräch mit der Kirchenzeitung. "Das merkt man auch auf den Kirchentagen." Und heutzutage verbreiteten sich auch über Soziale Netzwerke wie Youtube oder Spo-tify neue Songs, vor allem aus den USA, wo die christliche Musikszene recht groß sei.
Doch nur wenige dieser Lieder könnten sich in den Gemeinden dauerhaft etablieren oder sogar Eingang ins offizielle Evangelische Gesangbuch finden. "Das ist schon ein großer Balanceakt", sagt der EKM-Popkantor. Hier müsse eine ausgewogene Mischung zwischen traditionellen Kirchenliedern und neuen Stücken gefunden werden.
"Auch ein Bach-Präludium oder eine Fuge sind erstmal nicht geistlich"
Doch das Neue Geistliche Lied sei oft sehr schnelllebig. Da gebe es Lieder, die drei oder vier Jahre lang häufig gesungen würden, bis sie plötzlich wieder von der Bildfläche verschwinden. So sei beispielsweise der Song "My Lighthouse" der nordirischen Folk-Lobpreisband "Rend Collective" rund fünf Jahre lang ein großer Hit gewesen, jetzt ebbe die Begeisterung aber wieder ab. So hätten es viele moderne Lieder schwer, ihren Weg ins Gesangbuch zu finden. "Beim Neuen Geistlichen Lied gibt es die Schwierigkeit, Lieder zu finden, die 40 Jahre lang tragen", so Christian König.
Für das neue Gesangbuch, das gerade erarbeitet wird, hat er spontan zwei konkrete Vorschläge: "Lege deine Sorgen nieder" der deutschen Sängerin und Songschreiberin Sefora Nelson oder "Lobe den Herrn meine Seele" in der Vertonung des christlichen Komponisten und Musikers Albert Frey. Beide Lieder probiert er gerade mit Konfirmanden – und die Songs kommen offenbar gut an.
Das gelte jedoch längst nicht für alle modernen Melodien, berichtet der Popkantor aus seinen Erfahrungen. Oft sind sie wenig eingängig und nicht so leicht zu singen wie die "Klassiker", die meistens aus Halb- oder Viertelnoten bestehen. "Wenn die Melodien sehr synkopisch sind, das heißt, nicht genau auf Schlag gesungen werden, ist das für den Gemeindegesang oft schwierig", so König.
Da stoße dann auch mal mancher Organist an seine Grenzen, stattdessen brauche es hier eine gute Führung von Rhythmusinstrumenten wie Schlagzeug, Bass oder Gitarre. "Eine Pop-Ballade funktioniert mit Orgelbegleitung, bei Funk wird es eher schwierig." Stattdessen könnten auch ein Saxofon, Geigen oder Flöten zum Einsatz kommen. "Aber die Orgel ist noch sehr stark vertreten in den Gemeinden, viele sind da noch sehr traditionell unterwegs."
Diesen Umstand ein Stück weit zu verändern, das ist auch seine Aufgabe als "Landeskantor für Popularmusik", wie seine Stelle offiziell heißt. So bietet er unter anderem Chor- oder Gospelworkshops an und versucht, auch erfahrenen Organisten einige Tipps zu geben, wie sie moderne Stilrichtungen gut auf der "Königin der Instrumente" begleiten können. Bei "Tastenworkshops" gibt er Weiterbildungen für moderne "Grooves", beispielsweise in Latin, Rock oder Reggae.
Im Kirchenkreis Erfurt, wo er ebenfalls mit einer halben Stelle angestellt ist, hat Christian König beispielsweise im Oktober vergangenen Jahres einen Gospelchor gegründet. Über 100 Personen hätten an dem aktuellen Chorprojekt im April teilgenommen. Auch singe er häufig mit Konfirmanden, um ihnen ein Gefühl für Kirchenmusik zu vermitteln.
Projekte wie kürzlich der Techno-Rave in der Erfurter Predigerkirche sieht König daher mit Wohlwollen. "Die Frage ist doch: Wann ist Musik geistlich? Auch ein Bach-Präludium oder eine Fuge sind erstmal nicht geistlich, weil sie keinen Text haben", meint der Popkantor. Die Musik sei eine emotionale Ausdrucksform, aber erst der Text mache sie zu geistlicher Musik.
Doch wenn es in eine Richtung gehe, in der Musik überhaupt keine Aussage mehr habe, könnten solche Veranstaltungen auch albern wirken. "Man darf aber in der Kirche auch Popsongs singen", ist König überzeugt. "Die haben zwar keine explizit christliche Aussage, aber oft doch ein Lebensthema, das sich mit dem christlichen Weltbild deckt." Beim Techno-Rave seien viele Leute mit dem Kirchenraum in Verbindung gekommen, die sonst keinen Kontakt dazu hätten. "Man kann sich auch in eine Meditation tanzen. Das hat eine gewisse Spiritualität."
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Autor:Online-Redaktion |
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