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Nachgefragt
Pfarrverein: Schranken für mehr Demokratie

Ulrike Becker | Foto: U. Becker
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Das Arbeitsfeld vieler Pfarrer wächst zunehmend. Zwischen Bauanträgen und Beerdigung bleibt bei wachsenden Gemeindegrößen immer weniger Zeit. Der Pfarrverein will unterstützen und Pfarrerinnen und Pfarrer in der EKM stärker vernetzen, sagt Ulrike Becker. Mit Beatrix Heinrichs sprach die Vorsitzende über die Neuausrichtung des Vereins.

Sie sind vor zwei Jahren zur neuen Vorsitzenden gewählt worden, nachdem der Pfarrverein seinem vorherigen Vorsitzenden, Pfarrer Martin Michaelis, das Vertrauen entzogen hatte. Hängt Ihnen die Causa Michaelis immer noch nach?
Ulrike Becker: Ich denke schon. Es hat eine ganz extreme Verbindung gegeben zwischen Pfarrer Michaelis und dem Pfarrverein und auch der Pfarrvertretung. Ich habe Verständnis für all die, die sich in diesem Zusammenhang von dem Pfarrverein getrennt haben. Ich finde es sehr bedauerlich, dass es zu dieser Entwicklung kommen konnte, und deswegen war es mir so wichtig, dass wir an den inneren Strukturen arbeiten. Bei der letzten Mitgliederversammlung haben wir eine neue Satzung verabschiedet. Wir haben jetzt gewisse Schranken eingebaut, damit es in Zukunft einfach demokratisch bleibt.

Wie steht es um die Neuausrichtung des Vereins?
Der Pfarrverein ist nach wie vor in diesem Prozess der Neuordnung – äußerlich und innerlich. Vieles ist nicht so einfach, wie ich gedacht habe. Vielleicht wegen der großen Menge an Menschen, die beteiligt sind. Wir wollen gemeinsam mit dem Vorstand, mit den Organen des Vereins und vor allem mit den Mitgliedern einen Weg finden, der eine gute Zukunft für unseren Verein ermöglicht und noch stärker die Offenheit für den gesamten Bereich der EKM deutlich macht.

Was hätten sie sich einfacher vorgestellt?
Mir ist daran gelegen, dass alles im Konsens entschieden wird – und das braucht unwahrscheinlich viel Zeit, weil wir alle nur ehrenamtlich tätig sind. Die Anfragen der Pfarrerinnen und Pfarrer zu bearbeiten, muss da gut organisiert sein.

Welche Anfragen erreichen Sie?
Uns erreichen immer Anfragen, wenn es um soziale Härtefälle geht oder auch um Konfliktsituationen in Gemeinden und mit der Kirchenleitung. Viele Fragen sind rechtlicher Natur. Dafür haben wir Syndikusanwälte in der Geschäftsführung und bieten auch eine Rechtsschutzversicherung für alle Mitglieder.
Die Personalsituation in den Gemeinden der EKM ist zum Teil angespannt. Wie kann der Pfarrverein hier die Pfarrer unterstützen?
Wir haben da keine direkten Möglichkeiten, wir können nur die einzelnen Personen unterstützen – an den Strukturen ändern können wir nichts. Ein Punkt, an dem wir in Zukunft stärker arbeiten wollen, ist, dass sich die Mitglieder im Pfarrverein auf eine gute Vernetzung verlassen können. Pfarrer arbeiten oft in der Vereinzelung, da kann es hilfreich sein, auf Erfahrungen, Beratung und Hilfestellung anderer Mitglieder zurückgreifen zu können. Gerade auch zwischen jungen und älteren Kollegen, die voneinander profitieren könnten. Das wird bisher, glaube ich, noch zu wenig in Anspruch genommen.

Wie ist es um den Nachwuchs bestellt?
Wir hatten in diesem Jahr sechs neue Eintritte. Das klingt wenig, aber wir sind sehr froh darüber. Wir haben dennoch ein demografisches Problem. Der Großteil der Mitglieder gehört der Generation 60 plus an. Bei den jungen Absolventen ist es so, dass nicht unbedingt alle, die ordiniert werden, in Gemeindepfarrämter gehen und möglicherweise so auch keinen Sinn darin sehen, in den Pfarrverein einzutreten.

Inwieweit kann der Verein Anreize schaffen?
Das tun wir, indem wir mit der Landeskirche darüber sprechen, wie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Pfarrer verbessert werden können. Da geht es um Themen wie Residenzpflicht oder Dienstbeschreibung und auch ganz praktische Fragen wie die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes. Es ist die Aufgabe des Arbeitgebers, entsprechende Voraussetzungen zu schaffen, dafür gibt es gesetzliche Vorgaben. In der Praxis gestaltet sich manches aber schwierig. Auch in puncto Wertschätzung für die Arbeit der Pfarrer gibt es Nachholbedarf. Pfarrerinnen und Pfarrer haben lange dafür studiert, um zu verkündigen und nicht, um alles möglich zu machen. Wo ist der Pfarrer noch in seiner eigenen Profession gefordert und gefördert? Gerade für die jüngere Generation ist es nicht mehr attraktiv, 24 Stunden rund um die Uhr im Dienst zu sein und die Verantwortung für alles allein zu tragen. Sie will klare Linien haben und auch Möglichkeiten, das eigene Leben zu gestalten. Wir können das unterstützen, indem wir bei der Landeskirche immer wieder den Finger in diese Wunde legen.

Ulrike Becker | Foto: U. Becker
Foto: pixabay.de
Autor:

Online-Redaktion

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