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Kontroverse
Sollten Kirchen vor der Wahl einer Partei warnen?

Das Kreuz mit dem Kreuz: Die amtierende EKD-Ratsvorsitzende, Bischöfin Kirsten Fehrs, hat vor einer Wahl der AfD gewarnt. Sie verwies auf einen Beschluss der Synode der EKD. Aufgerufen wird darin, „ausschließlich Parteien aus dem demokratischen Spektrum zu wählen". Auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz verabschiedete eine Erklärung, wonach rechtsextreme Parteien für Christen nicht wählbar seien. Die Kirche tut gut daran, "rote Linien" zu benennen, findet der katholische Publizist Andreas Püttmann. Ganz anders sieht das Alexander Kissler, Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung.

Kirchen sollten nicht leichtfertig politisieren. Beim einstimmigen Bischofsvotum der Katholiken zur AfD geht es aber nicht um Parteipolitik, sondern um die Systemfrage. Werden wir weiter in einer von der Menschenwürde her konzipierten, freiheitlichen Ordnung leben oder in einem völkisch-autoritären Regime? Nicht früh, geschlossen und scharf genug vor der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gewarnt zu haben, bereuten die Kirchen bitter. Das soll sich nicht wiederholen bei einer Partei, die teils aus Rechtsextremen besteht und teils aus skrupellos mit diesen Paktierenden. Weltweite Erfahrungen mahnen: Die neuen Faschistoiden stürmten Parlamente, entmachteten Gerichte, schalteten Medien gleich. Ihr Pate, der Kriegsverbrecher im Kreml, lässt massenhaft morden, aber AfD-Spitzen feierten in Russlands Botschaft den „Tag des Sieges“ mit. Andere besprachen mit Rechtsextremen die „Remigration“ unliebsamer Mitbürger. Ex-AfD-Vize Hans-Olaf Henkel gruselte es schon 2015: Man habe „ein Monster geschaffen“.

Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Gleichgültigkeit gegenüber der Armut in der Welt, Verächtlichmachung anderer Religionen und der Demokratie sowie Hassrede sind „rote Linien“ (so Kardinal Marx 2017) für Christen in der Politik. Ein Zeuge des Evangeliums kann nicht die AfD unterstützen. Auch habituell stehen christlicher Empathie, Demut und Gelassenheit die typische Empathielosigkeit, Hybris und Daueraufgeregtheit der Rechtsradikalen wie eine Antithese gegenüber.

In Matthäus 25, Vers 40 heißt es: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Demnach gibt es keine Christozentrik ohne Anthropozentrik: Menschenfeindlichkeit löst den Status confessionis – den Bekenntnisfall – aus. Die Deutsche Bischofskonferenz zeige „klare Kante gegen rechts“: So lauteten die Schlagzeilen, nachdem alle katholischen Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung die Erklärung „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“ verabschiedet hatten.

Darin heißt es, wer für die AfD votiere, stelle sich „gegen die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens und der Demokratie in unserem Land“. Auch die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, warnt vor einer Wahl der AfD.

Mit solchen politischen Erklärungen kehrt eine Kategorie zurück, die die Kirchen überwunden glaubten: die Wahlempfehlung von der Kanzel. Früher trommelte der Pfarrer in Bayern für die staatstragende CSU, heute raten Bischöfe von der Wahl einer Oppositionspartei ab.

Beides ist nicht ihr Amt. Bischöfe sollten sich um die Seelen der Gläubigen kümmern und um das Kreuz Christi, nicht vorrangig um das Kreuz in der Wahlkabine.
Mag Jesus noch so oft mit Huren, Dieben, Zöllnern verkehrt haben, mag er auch gesagt haben, er sei nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder:
Die Kirchen haben diesen christlichen Weg im Umgang mit der AfD verlassen. Sie betreiben Arbeitsverweigerung, wenn sie den Ausgestoßenen nicht nachgehen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat nun sogar Abgeordnete der AfD bei ihren Jahresempfängen für unerwünscht erklärt.
Eine Kirche, die ansonsten Vielfalt, Partizipation und Inklusion propagiert, handelt hier antipluralistisch, autoritär und ausgrenzend.
Wer so redet, hat sich von der Nächsten- und erst recht von der Feindesliebe verabschiedet und damit vom Kern des Christentums.

(idea)

Autor:

Online-Redaktion

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