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Bad Salzungen
Superintendent: Schluss mit dem Vakanz-Denken

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Gemeinden leiden unter „vakanten Pfarrstellen“. Wir haben uns seit 100 Jahren, seit der Trennung von Staat und Kirche, an eine pfarramtliche Kirche gewöhnt: „Der Pfarrer ist das Gesicht der Kirche.“ Das höre ich im ländlichen Thüringen immer noch häufig.

Von Christoph Ernst

Was aber, wenn keine Pfarrerin, kein Pfarrer mehr kommt? Manche Gemeinde fühlt sich seit Jahren verwaist. Da wurden Pfarrstellen mehrfach ausgeschrieben. Das Ergebnis: Null Interesse, geschweige denn eine Bewerbung. Kein Hirte in Sicht. Noch nicht einmal eine Hirtin, auch die würde inzwischen akzeptiert, wenn auch – Gott sei’s geklagt – nicht überall. Immer mehr Stellen sind „vakant“, also unbesetzt.

Die herkömmliche landeskirchliche Struktur, welche die seit Menschengedenken „errichteten Pfarrstellen“ kennt, befördert den gemeindlichen Anspruch, heute mehr denn je: Hier ist eine Stelle, wir schreiben sie aus, und du, Landeskirche, liefere uns bitte Bewerberinnen und Bewerber. Dann kommen die Wahl, die Einweisung in die Stelle, die Residenzpflicht.

Jetzt mal alle herhören: Dieses System hat fertig – die Flasche ist leer! Nicht in ein paar Jahren, sondern heute. Weil es immer weniger Pfarrerinnen und Pfarrer gibt. Weil die Besetzungskluft zwischen Stadt und Land dramatisch größer wird. Weil der Landeskirche alle Steuerungsmöglichkeiten entglitten sind und sie nicht mehr liefert. Weil auch Pfarrerinnen und Pfarrer, die durch ihr Studium meist städtisch geprägt sind, heute mit den Füßen abstimmen: lieber Jena als Rhön, lieber Halle als Altmark. Wie, das geht hier nicht? Ok, dann geht eben Berlin, Nürnberg oder Hannover.


"Darauf ist die am Steuerknüppel sitzende Amtskirche nicht hinreichend vorbereitet.Und sie reagiert – systembedingt – zu langsam"

Darauf ist die am Steuerknüppel sitzende Amtskirche nicht hinreichend vorbereitet. Und sie reagiert – systembedingt – zu langsam. Nicht einzelne tragen dafür Verantwortung, sondern das Kirchenschiff insgesamt ist in raue See gekommen und droht zu kentern. An der Peripherie macht sich Krisenstimmung breit, Abwärtsspiralen nehmen zügig Fahrt auf. Die entscheidende Frage ist: Kann so ein System aus eigener Kraft das Ruder herumreißen? Oder muss das Schiff erst untergehen, bevor neue Schiffe in See stechen können?
Ein winziger Ansatz für Reformversuche wäre es, nicht mehr in Stellenplänen, „errichteten Stellen“ und Vakanzen zu denken, weil damit unrealistische Hoffnungen weitergetragen werden. Was wir jetzt brauchen, ist eine Kirche als „agile Organisation“. Eine Kirche, die ihr Verkündigungs-Kerngeschäft der jeweiligen Situation, auch der Personalsituation, dynamisch anpasst. Es ist höchste Zeit, tun wir’s einfach. Ideen gibt es mehr als genug.

Der Autor ist Superintendent im Kirchenkreis Bad Salzungen-Dermbach.

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Superintendent Christoph Ernst | Foto: Kirchenkreis Bad Salzungen-Dermbach
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Online-Redaktion

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