Friedensethik
Theologe Stengel: Wir müssen eine Position beziehen
Mit Blick auf den in der Ukraine herrschenden Krieg hat der Hallenser Theologe Friedemann Stengel die Bedeutung des Rechts auf Selbstverteidigung betont. Von angegriffenen Menschen und Staaten könne man nicht verlangen, darauf zu verzichten.
Das Recht auf Selbstverteidigung hat nach Ansicht des Theologen Friedemann Stengel auch für die christliche Friedensethik eine hohe Bedeutung. «Wir können andere nicht zur Waffenlosigkeit zwingen. Auch, wenn wir sie selbst praktizieren. Das Recht auf Selbstverteidigung muss bestehen bleiben», sagte der Professor für Neuere Kirchengeschichte an der Universität Halle-Wittenberg mit Blick auf den Krieg in der Ukraine auf einer Tagung zu Friedenspolitik und Friedenstheologie der SPD-Fraktion in Berlin.
Auch müsse das Recht auf Kapitulation und Waffendienstverweigerung in Anspruch genommen werden können. «Aber die Aufforderung an andere, zu kapitulieren oder den Widerstand aufzugeben, vermag ich nicht aus der christlichen Ethik abzuleiten», sagte Stengel, der seit 2018 Professor für Neuere Kirchengeschichte in Halle ist.
Von Angegriffenen und lebensbedrohten Menschen und Staaten könne nicht verlangt werden, dass sie auf Selbstverteidigung verzichteten und sich im schlimmsten Fall töten ließen, sagte der evangelische Theologe. Die Entscheidung, auf Nothilfe zu verzichten, sei eine politische Entscheidung, jedoch keine auf Grundlage christlicher Ethik. In der evangelischen Kirche gibt es derzeit eine friedensethische Debatte. Unterschiedliche Auffassungen gibt es beispielsweise bei der Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine.
Auch sei es wichtig, in dem Konflikt eine Stellung einzunehmen, so der Theologe: «Angesichts dessen, bei jeder Handlungsoption Schuld auf sich zu laden, aber auch mit dem Hinweis, dass der deutsche Beitrag ohnehin nicht besonders relevant ist für das Geschehen, müssen wir dennoch eine Position beziehen.» Des Weiteren müsse die Rede von einem gerechten Krieg unterbleiben, da dies angesichts der Opfer von Zivilisten und Wehrpflichtigen durch nichts zu rechtfertigen sei.
Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine habe sich viel verändert, sagte der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci. «Die letzte Wende, an die wir uns erinnern, war die von 1989. Eine Wende hin zu Freiheit und Demokratie. Eine Wende, die Fortschritt bedeutet hat. Ich will nicht, dass unsere aktuelle Zeitenwende eine Rolle rückwärts ist.» Jedoch entstehe Fortschritt meist aus Krisen.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), betonte zudem, dass der Krieg in der Ukraine «in unserer Nachbarschaft» stattfinde und von einer breiten gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Mehrheit in Russland getragen werde.
«Eine der Voraussetzungen für den Frieden ist, dass wir Regeln respektieren, dass Waffen schweigen und dass wir die Souveränität und Integrität von Staaten anerkennen», sagte er außerdem. Die Sehnsucht nach Frieden sei deshalb gekoppelt an einen «mühseligen, gefährlichen und schmerzhaften Weg». (epd)
Autor:Katja Schmidtke |
2 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.