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DDR-KIRCHENVERLUSTE # 58
Verlorene Kirche Zweedorf + ihre Auferstehung

Die zweite Kirche von Zweedorf (historische Abbildung) | Foto: Ansicht vor 1930, gemeinfrei, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=127373116
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  • Die zweite Kirche von Zweedorf (historische Abbildung)
  • Foto: Ansicht vor 1930, gemeinfrei, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=127373116
  • hochgeladen von Holger Zürch

In der DDR wurden bis 1988 rund 60 Kirchen auf staatlichen Druck gesprengt. Die wohl bekannteste von ihnen war die Paulinerkirche Leipzig – auch Universitätskirche St. Pauli genannt – im Jahr 1968. Die Serie erinnert an verlorene Sakralbauten in Mitteldeutschland und darüber hinaus.

Die Kirche St. Georg zu Zweedorf – auch Georgenkirche genannt – war ein Gotteshaus in der Gemeinde Schwanheide im Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern.

Sie wurde 1978 zerstört, da sie aus Sicht der DDR-Grenztruppen zu nah an der Grenze zwischen DDR und Bundesrepublik Deutschland stand: Die Grenzsoldaten wollten um jeden Preis die noch so kleine Möglichkeit ausschließen, dass potenzielle DDR-Flüchtlinge sich in der Kirche verstecken.

Neubau im 18. Jahrhundert
Zweedorf wurde 1252 erstmals urkundlich als Twedorp erwähnt. Das Kirchdorf Zweedorf gehörte zu den 21 Klosterdörfern, die im 13. Jahrhundert Eigentum des Klosters Zarrentin waren. Die Kirche wurde um 1335 erstmals genannt.

Nach der Auflösung des Klosters kam die zur Ratzeburger Diözese gehörende Kirche unter landesherrliches Patronat, mit einer Unterbrechung zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Das Gotteshaus war dem Heiligen Georg geweiht.

Die erste nachweisbare Kirche war 1728 in desolatem Zustand, ab 1758 begann der Neubau. Die kleine Fachwerkkirche mit Walmdach wurde 1760 vollendet. Im Westgiebel mit vorgesetzter Ziegelmauerblende stand ein aus dem Dach herausragender Fachwerkturm mit Pyramidenhelm, Holzschindeln, Kugel und Wetterhahn.

Die Ecken des Westgiebels und den Seitenwänden waren mit abgetreppten Strebepfeilern verstärkt. Am Ostgiebel befand sich die aus Fachwerk angebaute Sakristei mit Satteldach.

Zur Innenausstattung zählte ein spätgotischer Schnitz-Altar mit grau und weiß überstrichenem Triptychon, auf dem der Heilige Georg, die Heilige Maria mit dem Kinde, der Heilige Johannes und je vier Heilige in den Flügeln zu sehen waren.

Die Predella war mit Halbfiguren bemalt: Christus als Schmerzensmann, St. Hieronymus, St. Ambrosius, St. Gregorius und St. Augustinus. Der Schrein war mit einem hölzernen Kruzifix bekrönt. Die Kanzel war im Renaissance-Stil gestaltet.

Es gab zwei Kirchenglocken, eine aus dem Jahr 1651, die zweite aus dem Jahr 1894. Letztere war ein Umguss einer älteren, geborstenen Glocke. Von den zwei Glocken musste eine im Zweiten Weltkrieg als Metallspende für Kriegszwecke zur Einschmelzung abgegeben werden.

Heikle Lage auf DDR-Gebiet
Die Kirche stand zur DDR-Zeit im sogenannten Schutzgebiet der 500-Meter-Zone vor der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland. Um „Republikflucht“ – so die offizielle DDR-Bezeichnung für dieses aus SED-Sicht schwerste „Delikt“, das eigene Land verlassen zu wollen – ausnahmslos zu verhindern, durfte diese Zone nur mit Sondergenehmigung und von Ortsansässigen betreten werden. Beides wurde jahrzehntelang strengstens kontrolliert.

Die in die Jahre gekommene Fachwerkkirche war in den 1970er Jahren in einem baulich schlechten Zustand. Am 18. April 1978 trafen sich Propst Scheidung aus Boizenburg, der Baubeauftragte und ein Vertreter vom Rat des Kreises Hagenow und tauschten sich aus über den Abbruch des Gotteshauses „aus Gründen der Ordnung und Verschönerung des Ortsteiles in Feierabendtätigkeit“.

Im Mai 1978 forderten der Rat der Gemeinde Schwanheide sowie der Rat des Kreises Hagenow den Oberkirchenrat in Schwerin zum Abbruch der Kirche auf, die in dem Schreiben als Kirchruine bezeichnet wurde. Dieser Oberkirchenrat in Schwerin gab am 24. Juli 1978 dem Rat des Kreises Hagenow seine Zustimmung zur Vernichtung des Gotteshauses.

1978: Sprengung des Gotteshauses
Jedoch gab es aus Sicht der regionalen Kirchenmitglieder ein schwerwiegendes Problem: Niemand der stimmberechtigten Mitglieder des Kirchengemeinderates durfte sich die Kirche ansehen, eben weil sie jenes Sperrgebiet der 500-Meter-Zone nicht betreten durften.

Gemeindemitglieder in Zweedorf waren sich sicher, dass der damalige SED-geführte Rat des Kreises Hagenow und die DDR-Grenzsicherungsorgane die Kirche aus den oben genannten Gründen weghaben wollten.

Den Kirchenmitgliedern war somit de facto das Recht der - wenn auch nur kleinen - Mitsprachemöglichkeit verwehrt.

Am 18. und 19. November 1978 wurde das Gotteshaus gesprengt und die Trümmer in den Dorfteich geschoben. Geborgen wurden die Fenster, die heute in der Friedhofskapelle in Boizenburg/Elbe zu sehen sind, Orgelpfeifen sowie Altar und Taufstein, die nun in der Johanniterkirche Sülstorf stehen.

Ein Kirchgemeindemitglied rettete zwei Kronleuchter, zwei Leuchten und das Kreuz einer Sargbestückung, ein Abendmahl-Besteck und den Taufstein mit Taufschale. Die Glocke aus dem Jahr 1651 wurde eingelagert und erklingt heute im 1991 errichteten Glockenstuhl der Kapelle Schwanheide.

Jüngere Vergangenheit
Ein neues Kapitel in der Ortschronik begann in Zweedorf mit dem Zusammenbruch der DDR, der Friedlichen Revolution und der Deutschen Einheit 1990: So gab es ab 1992 die Idee zum Bau einer neuen Kirche. Das Gotteshaus war nicht zuletzt wegen der rücksichtslos-autoritären Zerstörung aus politischen Sicherheitsgründen in schmerzlicher Erinnerung geblieben.

Initiator war der Maurermeister Wolfhard Meinck, der Sohn des einstigen Küsters von Zweedorf: Er gestaltete einen Bauentwurf und leistete beharrliche Überzeugungsarbeit.

Neubeginn in Eigeninitiative
2002 wurde in Eigeninitiative mit dem Bau begonnen – der von der Kirchenleitung gestoppt wurde.

2005 gründete sich der Kirchenbauverein Zweedorf e.V. mit dem Ziel, ein neues Gotteshaus zu errichten und zu erhalten.

Ein hölzerner, aus Spenden finanzierter Glockenturm entstand im Sommer 2007. Dessen beiden Glocken stammten aus der Kirchgemeinde St. Gertrud in Hamburg-Uhlenhorst.

Grundsteinsteinlegung für die neue Kirche war schließlich am 6. Juni 2009, erster Gottesdienst im Rohbau am 2. August 2009.

Das Richtfest wurde am 23. August 2009 gefeiert, die Baukosten betrugen knapp 80.000 Euro. Die Kirchweihe vollzog Landesbischof Andreas von Maltzahn am 4. September 2011.

Das neue Gotteshaus ist ein eingeschossiger Bau mit dreiseitigem Ostschluss, es hat eine gewollte Ähnlichkeit mit seinem Vorgängerbau.

Im Neubau gibt es neben dem Kirchenraum noch einen Mehrzweckraum und sanitäre Einrichtungen. Vom Flur führt eine Treppe zur Orgelempore unter dem Dach.

An der Westwand wurde ein massiver Glockenturm mit holzverkleidetem Aufsatz und Pyramidendach erbaut, der den hölzernen Glockenturm ersetzt hat. Der Glocken-Umzug vom hölzernen in den massiven Glockenturm war im Juli 2011.

Initiator starb vor offizieller Kirchweihe
Es gibt eine Orgel des Orgelbauunternehmens Arnold aus Plau am See. An der Orgelempore finden sich, vom Kirchenraum aus sichtbar, fünf Gemälde von Barbara Jentz-Koska: Dargestellt sind beispielsweise die alte Kirche und das einstige Pfarrhaus. Die Kirchenfenster, von der Landeskirche finanziert, gestaltete Thomas Kuzio aus Sommersdorf.

Das Gotteshaus gehört zur Propstei Parchim im Kirchenkreis Mecklenburg der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, auch Nordkirche genannt.

Der ideenreiche und umtriebige Initiator des Kirchen-Neubaus, der Maurermeister Wolfhard Meinck, erlebte die offizielle Einweihung „seiner“ Kirche nicht mehr – er starb im Jahr 2010.

Auf seinem Grabstein steht: „Und alles Getrennte findet sich wieder.“ Die Worte stammen von Friedrich Hölderlin. Der schrieb einst: „Wie der Zwist der Liebenden, sind die Dissonanzen der Welt. Versöhnung ist mitten im Streit und alles Getrennte findet sich wieder.“

Die neue Kirche Zweedorf ist dafür steinerner Beweis.

Koordinaten: 53° 25′ 52,2″ N, 10° 37′ 49,2″ O

https://de.wikipedia.org/wiki/St._Georg_(Zweedorf)
(dort auch Verzeichnis der Autoren; Textnutzung entsprechend Creative Commons CC BY-SA 4.0)

Die zweite Kirche von Zweedorf (historische Abbildung) | Foto: Ansicht vor 1930, gemeinfrei, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=127373116
Die heutige St. Georg zu Zweedorf | Foto: Zweedorf22, gemeinfrei, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20575878
Autor:

Holger Zürch

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