Nachgefragt
Zu alt für die Jungen, zu jung für die Alten
Seit seiner frühen Jugend engagiert sich Felix Kalbe in der Kirche. Er entschied sich im Erststudium für die Theologie, war Mitglied der Kreis- und Landessynode und saß sogar im Kirchenparlament der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Jetzt, im Alter von 27 Jahren, fühlt er sich von Angeboten auf Gemeindeebene nicht mehr angesprochen. Im Gespräch mit Paul-Philipp Braun berichtet der Gothaer, was ihm fehlt.
Sie haben zunächst Theologie studiert, gerade machen Sie aber Ihren Abschluss in Marketingmanagement. Wie kommt das?
Felix Kalbe: Ich habe mir für das Erststudium relativ viel Zeit gelassen, habe sechs Jahre lang an der Uni Jena studiert, aber festgestellt, dass es nichts für mich ist. Das lag nicht nur am Studium selbst, sondern auch am Strukturwandel in der Kirche. Ich möchte nicht der Letzte sein, der in einer Gemeinde das Licht ausmacht. Ich möchte aber auch nicht derjenige sein, der 24 und mehr Pfarrstellen auf einmal betreuen muss. Das ist einfach nicht mein Ziel und nicht mein Verständnis von moderner Seelsorge. Trotzdem bin ich der Kirche immer treu geblieben und habe mich ehrenamtlich engagiert. Jetzt bin ich aber in einem Alter, in dem ich und auch viele meiner Freunde in eine Art kirchliche Passivphase kommen.
Was meinen Sie damit?
Als Kind und Jugendlicher kann sich jeder engagieren und mitmachen. Es gibt Christenlehre, Konfirmandenunterricht, Jugendgruppen, thematische Kreise, Junge Gemeinden, Hauskreise, die Evangelische Jugend und vieles mehr. Das sind alles regelmäßige und zuverlässige Angebote. Inzwischen bin ich aber in einem Alltag, in dem es das so nicht mehr gibt. Ich stehe im Arbeitsleben, und es gibt für unsere Altersgruppe kaum Angebote – wenn es nicht unbedingt der Familien- oder Elternkreis ist. So wirklich geht es dann aber erst weiter, wenn man im Ruhestand ist. Senioren- und Bastelkreise, Bibelarbeiten unter der Woche und ähnliches stehen dann wieder hoch im Kurs.
Was braucht es, damit diese Passivphase gar nicht erst eintritt?
Ich würde mich freuen, wenn es Anschluss-Angebote gäbe, die sich in etwa mit der Jungen Gemeinde vergleichen lassen. Nur müssten die eben auf eine höhere Altersstruktur ausgerichtet sein. Wer als älterer, aber noch immer junger Mensch in eine JG geht, der baut vielen Jungen etwas zu. Wer mit Ende 30 als Teilnehmer in einem solchen Angebot sitzt, schreckt 15-Jährige ab. Und das ist vollkommen normal. Die Themen, die einen bewegen, sind einfach zu verschieden.
Und abgesehen von diesen zusätzlichen Angeboten, wie ist es mit Gottesdiensten?
Auch die sehe ich oftmals kritisch. Predigten empfinde ich häufig als zu flach und nicht meiner Lebenswelt entsprungen. Es kann sein, dass es an meiner Vorgeschichte liegt, aber vor allem der wissenschaftliche Anspruch fehlt mir häufig. Diese Erfahrung teilen viele Menschen, die jung sind, im ländlichen Raum wohnen und sich dadurch vom Kirchgang abschrecken lassen.
Hinzu kommt, dass ich selbst sehr an Liturgien hänge. Das typisch lutherische Einsetzen der Orgel, der Gemeindegesang, alles das macht Gottesdienste für mich aus. Das Schöne und Konstante, was sich damit verbindet, bricht aber gefühlt immer öfter weg, weil Menschen nicht mehr mitsingen können. Sie haben es gar nicht gelernt, wollen es nicht oder schämen sich, wenn nur drei Senioren im Gottesdienst sitzen. Alles das fehlt unserer Kirche, und alles das trägt dazu bei, dass wir immer mehr Mitglieder – zwischen dem Jugend- und Seniorenalter – verlieren.
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