Frieden
Anti-Apartheid-Aktivist: Verletzungen anerkennen und Hass überwinden
Osnabrück (epd) - Konflikte zwischen Menschen und Staaten können nach Ansicht des anglikanischen Priesters und Anti-Apartheid-Aktivisten Michael Lapsley (73) nur beendet werden, wenn beide Seiten ihre jeweiligen Traumata anerkennen und aussprechen. «Sprechen ist der Beginn der Heilung», sagte Lapsley. Oft verschwiegen Menschen jedoch ihre Verletzungen vor sich und anderen, erläuterte der Theologe am Rande einer internationalen Konferenz an der Hochschule Osnabrück. Dann könnten Hass und der Wunsch nach Rache über Generationen bestehen bleiben. Auch die Menschen in der Ukraine und in Russland müssten sich in naher Zukunft mit ihren negativen Gefühlen auseinandersetzen, um die Gewalt zu überwinden.
Lapsley berichtete von seiner Arbeit mit Opfern und Tätern nach der Zeit der Apartheid in Südafrika. In Workshops nach dem von ihm entwickelten Konzept des «Healing of Memories» (Heilung der
Erinnerungen) erzählten die Teilnehmenden sich dort einander ihre Lebensgeschichten. Dabei machten sie sich vor allem ihre damaligen Gefühle bewusst wie Hass, Ohnmacht oder Bitterkeit und sprächen sie offen aus. «Es ist eine Reise der Anerkennung und des Loslassens der Dinge, die uns in der Vergangenheit zerstört haben, eine Art Entgiftung der Seele.»
Bei der Osnabrücker Konferenz unter dem Titel «Die Weisheit von Präsenz und Gewaltlosigkeit - Brückenbau in unsicheren Zeiten» tauschten sich bis zum 20. Mai mehr als 300 Psychologen, Ärzte und Therapeuten über ihre Erfahrungen aus. Dabei geht es unter anderem um die Arbeit mit traumatisierten Menschen in Flüchtlingslagern, Gefängnissen und Konflikten wie etwa dem Nahost-Konflikt oder dem Krieg in der Ukraine.
Lapsley, der in Neuseeland geboren wurde und seit 1973 mit Unterbrechungen in Südafrika lebt, verlor 1990 bei einem Briefbomben-Anschlag beide Hände und ein Auge. In den 1990er-Jahren unterstützte er mit seinem Konzept die Arbeit der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission, die von Präsident Nelson Mandela eingesetzt worden war. Daraus ging 1998 das von ihm gegründete «Institute for the Healing of Memories» hervor.
Opfer werden zu Tätern und Täter zu Opfern
Workshops nach seinem Konzept würden mittlerweile weltweit für traumatisierte Menschen angeboten, berichtete Lapsley. «Wir arbeiten zum Beispiel mit Menschen, die an Aids erkrankt sind, mit Geflüchteten, mit Soldaten und Inhaftierten und mit Menschen, die geschlechtsbezogene Gewalt erfahren haben oder an Kindheitstraumata leiden.» Dabei gehe es nie um Bestrafung, sondern darum, Beziehungen zwischen Menschen wiederherzustellen und eine Dynamik der Gewalt zu durchbrechen.
Häufig würden Opfer später zu Tätern und Täter zu Opfern, betonte der Theologe. Menschen versuchten, sich für erlittenes Unrecht zu rächen. «Es kommt darauf an, dass Menschen wieder ein Gefühl für die eigene Wirksamkeit bekommen und nicht im Strudel der Vergangenheit stecken bleiben», sagte Lapsley.
Autor:Katja Schmidtke |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.