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Geschichte
Auf dem Dynamit-Hügel

Congress of Racial Equality March in Washington D.C. zum Gedenken an die bei einem Anschlag des Ku-Klux-Klan auf die 16th Street Bapist Church in Birmingham (Alabama) am 15. Sept. 1963 getöteten Kinder, Foto vom 22. September 1963 zeigt die Demonstranten im Protestmarsch.
 
Mediennummer:
00493369
Aufnahmedatum:
22.09.1963
Autor:
akg- | Foto: epd-bild/akg-images
  • Congress of Racial Equality March in Washington D.C. zum Gedenken an die bei einem Anschlag des Ku-Klux-Klan auf die 16th Street Bapist Church in Birmingham (Alabama) am 15. Sept. 1963 getöteten Kinder, Foto vom 22. September 1963 zeigt die Demonstranten im Protestmarsch.

    Mediennummer:
    00493369
    Aufnahmedatum:
    22.09.1963
    Autor:
    akg-
  • Foto: epd-bild/akg-images
  • hochgeladen von Katja Schmidtke

Anfang der 1960er Jahre erschütterte die Gewalt des Ku-Klux-Klan den Süden der USA. Sarah Collins Rudolph war zwölf, als sie 1963 einen Anschlag des rassistischen Geheimbundes in ihrer Kirche überlebte - ihre Schwester und drei Freundinnen starben.

Von Konrad Ege (epd)

Der Sprengstoff ging unter der Kirchentreppe hoch: An der 16th Street Baptistenkirche in Birmingham im US-Südstaat Alabama explodierten am 15. September 1963 gut ein Dutzend Stangen Dynamit. Gelegt hatten sie Männer des rassistischen Ku-Klux-Klan - die Kirche wurde traditionell von Schwarzen besucht. Vier schwarze Mädchen wurden getötet.

Der Mord an den vierzehnjährigen Mädchen Addie Mae Collins, Carole Robertson und Cynthia Wesley sowie der elf Jahre alten Denise McNair sei die «größte menschliche Tragödie der Bürgerrechtsbewegung» gewesen, schrieb Historiker David Garrow in seinem Buch «Bearing the Cross».

Der 15. September war ein Sonntag. Ihre Mutter habe sie früh geweckt, um ihr Haar zu richten, berichtete die damals zwölfjährige Sarah Collins Rudolph, Schwester der ermordeten Addie Mae Collins. Ihre Erinnerungen sind festgehalten auf der Webseite voicesofthecivilrightsmovement.com, einer Multimedia-Plattform über die Bürgerrechtsbewegung.

Mit ihren Schwestern Addie Mae und Janie ging Sarah zur Kirche. Sie habe sich gefreut, es war «Jugendsonntag». Im Untergeschoss der Kirche machten sie sich fertig, als es passierte: «Die Bombe explodierte. Ein Boom! Es war so laut, ich konnte nur sagen, Jesus», erinnert Sarah sich.

Sie habe nach ihrer Schwester gerufen, «Addie, Addie, Addie. Und die hat nicht geantwortet». Jemand habe sie in einen Krankenwagen gebracht. «Ich war voller Blut, ich konnte nichts sehen.» Glassplitter hatten Sarah im Gesicht und in den Augen getroffen. Erst nach der Operation erfuhr sie, dass Addie Mae und ihre drei Freundinnen tot waren.

Nach dem Mord an den vier Mädchen herrschten Wut und Verzweiflung im schwarzen Birmingham. Aufgebrachte Menschen warfen Steine auf die Polizei, Polizisten schossen. Ein junger Mann wurde tödlich getroffen.

Der Bürgerrechtler und baptistische Pastor Martin Luther King schrieb ein Telegramm an den Gouverneur von Alabama, den eingefleischten Rassisten George Wallace: «Das Blut kleiner Kinder klebt an Ihren Händen.» Knapp drei Wochen vorher noch hatte King in Washington seine bewegende «I have a dream»-Rede gehalten - über seinen Traum, dass seine vier Kinder einmal in einer Nation leben würden, «in der man sie nicht nach der Farbe ihrer Haut beurteilt».

Gewalt war nichts Neues im damaligen Amerika, in Birmingham und Alabama schon gar nicht. Dort herrschten Apartheid-Zustände mit einer strikten Trennung von Schwarz und Weiß, die Polizei war gewalttätig.

Die linke feministische Philosophin Angela Davis, geboren 1944, ist in Birmingham aufgewachsen. Sie hat als Kind Gewalt von Weißen erlebt, als schwarze Familien in ein weißes Wohnviertel zogen.
Bombenanschläge seien so oft vorgekommen, «dass unser Viertel bald als Dynamit-Hügel bekannt war», so formulierte es Davis in ihrer Autobiografie. «Die Bomben-werfenden Rassisten wollten natürlich nicht gezielt Carole, Cynthia, Addie Mae und Denise umbringen», schrieb Davis. Sie hätten die Schwarzen in Birmingham terrorisieren wollen.

Nach Angaben des Extremismusexperten Mark Pitcavage vom Verband Anti-Defamation League haben Anfang der 60er Jahre Ku-Klux-Klan-Gruppen zahlreiche Gewalttaten verübt, um die Bürgerrechtsbewegung zu stoppen.

Es sei fast unmöglich, Worte zu finden, um die Familien zu trösten, sagte Martin Luther King bei der Trauerfeier für die vier Mädchen. Er kritisierte Politiker, die ihre Wähler mit dem «altbackenen Brot des Hasses und dem verdorbenen Fleisch des Rassismus» fütterten. Und äußerte die Hoffnung, das tragische Ereignis könnte den «weißen Süden dazu bewegen, mit seinem Gewissen ins Reine zu kommen.»

1964 unterzeichnete Präsident Lyndon Johnson ein umfassendes Bürgerrechtsgesetz. Es dauerte allerdings Jahrzehnte, bis drei Täter von Birmingham vor Gericht gestellt und zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Ein vierter Verdächtiger starb vor dem Prozess.

Knapp ein Jahr nach dem Anschlag von Birmingham, im Juni 1964, ermordeten Ku-Klux-Klan-Männer in Mississippi die jungen Bürgerrechtsaktivisten Michael Schwerner, James Chaney und Andrew Goodman. Doch im Laufe der 1960er Jahre hätten die Klan-Gruppen realisiert, dass sie den Kampf gegen Bürgerrechte verloren hätten, sagte Mark Pitcavage dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Heute existierten nur noch sehr wenige Ku-Klux-Klan-Gruppen, ergänzte er. Allerdings: Es gebe in einem extremen Segment der sogenannten weißen Suprematisten, die für eine Vorherrschaft weißer Amerikaner kämpften, hohe Gewaltbereitschaft und den Glauben, dass sie die Gesellschaft allein durch Reformen nie in ein «weißes Paradies» in ihrem Sinne verwandeln könnten. Stattdessen wollten sie die moderne Gesellschaft zerstören und «auf der Asche» eine neue bauen.

2013 hat der US-Kongress Addie Mae Collins, Denise McNair, Carole Robertson und Cynthia Wesley mit der Goldmedaille des Kongresses geehrt, der höchsten zivilen Auszeichnung. Zum 60. Jahrestag plant Birmingham Gedenkveranstaltungen. Birmingham sei heute eine andere Stadt, erklärt der aktuelle Pastor der Kirche, Arthur Price. Man werde die Mädchen nie vergessen.

Autor:

Katja Schmidtke

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