Blickwechsel
Augenhöhe ist nicht immer Realität
Am 11. August gibt es im Leipziger Missionswerk (LMW) gleich zwei Anlässe zum Feiern: Der Freiwilligendienst feiert seinen 30. Geburtstag, zugleich wird in einem feierlichen Gottesdienst die neue Direktorin des Werkes, Annette von Oltersdorff-Kalettka, eingeführt.
Von Oliver Gierens
Die gebürtige Mecklenburgerin und Pfarrerin der Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens ist die erste Frau in der 187-jährigen Geschichte des Missionswerkes, die dieses Amt übernimmt. Zu ihren Aufgaben gehört neben der Leitung des Werkes auch die Verantwortung für das Asien/Pazifik-Referat.
Diese Doppelfunktion war durch die beiden Trägerkirchen des Missionswerks, die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und die sächsische Landeskirche, so ausgeschrieben, unter anderem aus finanziellen und strukturellen Gründen, erzählt die Pfarrerin. Auch wenn sie bisher ausschließlich als Gemeindepfarrerin gearbeitet habe, bringe sie einiges an Auslandserfahrung mit. "Ich habe als Studentin lange Zeit im Ausland studiert, fünf Jahre in Südafrika und anderthalb Jahre in Rumänien", so Kalettka im Gespräch mit der Kirchenzeitung. Auch danach habe sie das Interesse an der Ökumene wachgehalten.
"Ich war zum Beispiel in den letzten Jahren die Ökumenebeauftragte im Kirchenbezirk Freiberg", berichtet die Pfarrerin. "Ich habe oft Gäste aus den Partnerkirchen eingeladen und Gottesdienste gefeiert." Auch die Konfirmanden habe sie in die Ökumenearbeit eingebunden. Teilgenommen hat sie auch am Programm "Mission to the north", einem Begegnungsprogramm des Weltkirchenrats, der 2022 seine Vollversammlung in Karlsruhe abhielt.
Während ihrer Studienzeit in Südafrika war sie auch 1998 bei der Vollversammlung in Simbabwe dabei. "All diese Dinge führten dazu, dass ich schon immer mal geschaut habe, ob es Möglichkeiten gibt, in diesem Bereich hauptberuflich unterwegs zu sein."
Im Bereich Asien/Pazifik plane sie bereits eine erste Dienstreise nach Papua-Neuguinea, wo sie die Partnerkirchen kennenlernen will. Bei den Partnerschaftsgruppen in den beiden Trägerkirchen ist aus ihrer Sicht derzeit an der einen oder anderen Stelle eine gewisse Müdigkeit eingetreten. "Da geht es darum, herauszufinden, warum das so ist und was die Gruppen brauchen."
Hinzu kämen neue globale Herausforderungen, etwa in Indien. Dort sei es zunehmend schwieriger, ein Visum zu bekommen, wenn man im kirchlichen Kontext unterwegs sei. "Die große Frage ist, wie wir das wieder verändern können. Dazu gibt es Gespräche mit Partnern in Indien", berichtet die neue LMW-Direktorin. Auch von deutscher Seite werde die Visa-Vergabe schwieriger.
Es ist ihr bewusst, dass der Missionsbegriff historisch belastet ist. "Ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir die Missionsgeschichte im Kontext der jeweiligen Zeit genau anschauen müssen." Die dunklen Kapitel müsse man gemeinsam mit den Partnern aufarbeiten. Von dort höre sie, dass die Missionskirchen während der Befreiungsbewegungen größtenteils auf der Seite der Partner gestanden haben. "Das ist auch Teil der Missionsgeschichte." Den Begriff müsse man differenziert betrachten.
Dabei sei der Begriff gerade im säkularen Bereich sehr beliebt und werde häufig verwendet. "Als Kirchen und als Missionsgesellschaften haben wir eine große Aufgabe, den Begriff sehr gut zu definieren." Dazu gehören aus ihrer Sicht Partnerschaftsarbeit und Begegnungen auf Augenhöhe. Dazu brauche es aber ein großes Stück Ehrlichkeit: "Wir müssen gut schauen, ob Augenhöhe nur ein Wunsch oder die Realität ist." Der Begriff setze bestimmte Dinge voraus, die oft nicht gegeben seien.
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Autor:Oliver Gierens |
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