Tansania
Das Wohlstandsevangelium
Geld geben, Erlösung empfangen: Diese Vorstellung übt eine starke Anziehungskraft aus – nicht nur in Tansania. Versprochen wird sich davon Erfolg, Reichtum und Heilung.
Von Gwakisa Mwaipopo
Es ist unübersehbar, dass die Bevölkerung in den städtischen Gebieten Tansanias immer weiter wächst. Viele Menschen ziehen vom Land in die Städte. Sie sind auf der Suche nach guten Jobs, medizinischer Versorgung, Ausbildung und modernen Wohnungen.
Der wirtschaftliche Druck ist immens, Leute, die in den Städten leben oder dorthin ziehen, haben daher die Idee, spirituelle Dienste anzubieten: Fürbitte und Beratung für Menschen, die gesundheitliche, finanzielle oder familiäre Probleme haben. Sie werden als Propheten, Apostel, Pfarrer oder Lehrer des Wortes Gottes angesehen, die gesandt wurden, um andere im Namen Jesu Christi zu bekehren.
Viele dieser »Dienstleister« haben sich von großen Kirchen abgespalten, von der lutherischen, der römisch-katholischen, anglikanischen oder den Herrnhutern. Zu den Gründen gehören der Wunsch nach Macht, die Aussicht, über die Kollekten viel Geld einzunehmen, Entfremdung von der Überlieferung ihrer ursprünglichen Kirchengemeinden, die Freude an der Freiheit, die großen Kirchen zu kritisieren, oder der Wunsch, die eigene geistliche Reife unter Beweis zu stellen.
Gegenwärtig gibt es eine enorme Zunahme von neuen Kirchen. Viele Menschen beklagen sich über die Strukturen der traditionellen Kirchen, die sie als überholt ansehen, und verlangen nach neuen Strukturen. In den Gottesdiensten dieser neu entstandenen Gemeinden haben die Gläubigen die Möglichkeit, angeführt von kleinen Gruppen, zu singen und zu tanzen, was von vielen Leuten als neue Struktur und größere Freiheit angesehen wird. Außerdem gibt es in diesen Gottesdiensten Gelegenheiten, wo jeder Gläubige laut beten und dabei wahlweise herumlaufen, knien oder sich auf den Boden werfen kann.
Die neuen Kirchen sind eher kommerzielle Einrichtungen als Einrichtungen des Glaubens, der Schwerpunkt ihrer Unterweisung liegt auf der Aufforderung, Geld zu spenden. Es wird gelehrt, man könne durch Spenden Gott dazu bringen, dem Geber Heilung oder Reichtum zu verschaffen. Demzufolge werden Gebete nicht erhört, wenn sie nicht mit Spenden des Betenden und Bittenden einhergehen. Man erzählt den Menschen, dass gegebenes Geld »Wunder hervordrängt«.
Einige der neuen Kirchen benutzen Objekte wie Öl, Wasser, Salz oder Tücher als Hilfsmittel der Erlösung oder der Wunderheilung. Sie werden nicht kostenlos eingesetzt, sondern erst auf eine Geldspende hin. Nach Ansicht dieser neuen Kirchen kann ein armer Mensch keine Heilung empfangen.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Ost- und Küstendiözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias den zentralen Themen des Lutherischen Weltbundes für das Reformationsjubiläum angeschlossen: »Erlösung – für Geld nicht zu haben«, »Menschen – für Geld nicht zu haben« und »Schöpfung – für Geld nicht zu haben«.
Viele Menschen ziehen mit hohen Erwartungen für ihr Leben in die Stadt, und etliche der Leiter der verschiedenen neuen Kirchen nutzen diese Situation, um den Menschen das Evangelium des Wohlstands zu predigen. Sie reden ihnen ein, dass sie durch wundersame Wege zum Erfolg kommen können. Weil viele Gläubige schnell Erfolg haben oder reich werden wollen, folgen sie diesen Predigern, ohne nachzudenken. Wenn sie feststellen, dass ihre Probleme jedoch nicht aufhören und ihre Erwartungen nicht erfüllt werden, kehren sie zu ihren ursprünglichen Kirchen zurück.
Die spirituelle Verfassung der Gläubigen und der Pastoren dieser Kirchen ist theologisch fragwürdig. Viele von ihnen lieben die Heilungswunder und die Art von Gottesdiensten, die mehr von Emotionen als von Gottes Wort bestimmt sind. Was die Pastoren, Propheten und Bischöfe angeht, so lehren sie jahrelang immer nur einen einzigen Gedanken, und weil keiner das hinterfragt, gibt es im Lauf der Jahre an diesem Ort nur theologischen Stillstand, während die Führer reich werden. Die Zahl der Menschen in den neuen Gotteshäusern ist zwar beachtlich, aber ihr Ziel ist es nicht, Gott in ihr Leben zu lassen, sein Wort zu hören und ein ihm wohlgefälliges Leben zu führen, sondern eine Lösung oder ein Ende ihrer Probleme zu suchen.
Der Autor ist Pfarrer in der Azania Front-Gemeinde in Daressalam.
Übersetzung: Birgit Pötzsch
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Autor:Online-Redaktion |
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