Betmobil
Ein Anhänger Jesu unterwegs
Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen oder kommen können, dann kommt die Kirche eben zu den Menschen. Mobile Kirchen zu Wasser, auf der Straße und auf der Schiene haben eine lange Geschichte.
Von Christiane Laudage
Seit zwei Jahren ist der Salvatorianer-Pater Wieslaw Kaczor vom Kloster Steinfeld in der Eifel immer wieder mit seiner Kirche auf Rädern unterwegs. Der ehemalige Marktwagen für Bekleidung wurde in der Corona-Zeit umgebaut, damit er als rollende Kirche dienen konnte. Pater Wieslaw steht mit seinem "Betmobil" in einer langen Tradition, denn neben Anhängern wurden auch schon Züge, Schiffe oder Kapellenwagen eingesetzt. Mehr oder weniger am Anfang standen Zugwaggons.
Zwischen 1890 und 1946 setzten christliche Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten 13 extra hergerichtete Waggons ein, die an Züge je nach Bedarf an- und wieder abgehängt wurden. Den Anfang machte die episkopalische Kirche, also die Anglikaner in den USA, und dann folgten die Baptisten. Sie orientierten sich an dem Beispiel der Russisch-Orthodoxen Kirche.
Diese setzte Eisenbahnwaggons in den 1880er Jahren als üppig ausgestaltete Kirchen ein, die dem Bau der Transkaspischen und dann der Transsibirischen Eisenbahn folgten. In den USA waren ab 1907 drei Kirchenwaggons im Einsatz, die die Geistlichen zu den weit verstreut lebenden Katholiken brachten. Verantwortlich für dieses Unternehmen war die "Catholic Church Extension Society", 1905 in Chicago von dem Priester Francis Clement Kelly für die Diasporaseelsorge gegründet.
In seinen Erinnerungen schreibt er, dass die übliche Routine darin bestand, eine Woche in einem Ort zu bleiben. Morgens las der Priester eine Messe, unterwies nachmittags die Kinder im Glauben und hielt abends eine Andacht. Zwischendurch musste er immer wieder Kinder taufen.
Nach dem Ersten Weltkrieg war im Großen und Ganzen die Zeit der Mission auf Schienen vorbei. Die katholische Kirche durfte nicht mehr umsonst ihre Kapellenwaggons an die Züge hängen, außerdem durften die umgebauten Waggons nicht mehr aus Holz sein. Wie lange genau die Kirchenwaggons noch im Einsatz blieben, darüber gibt es verschiedene Angaben.
1929 stieg man im Südwesten der USA auf Autos um: Der "Santa Teresita Chapel Car" zum Beispiel sah aus wie ein Bus, diente jedoch als Kirche. Doch waren sie nicht so populär wie die Züge und erreichten auch nicht deren geographische Reichweite.
Im Europa der Nachkriegszeit hingegen kamen die Kapellenwagen zum Einsatz. "Wenn die Gläubigen nicht zur Kirche kommen, muss die Kirche zu ihnen kommen", sagte pragmatisch Kardinal Giacomo Lercaro, Erzbischof von Bologna. Er setzte im Juni 1954 in den Wohnblocks am Rande der Großstadt Bologna Kapellenwagen ein. Diese, auch als "fliegende Kirchen" bekannt, enthielten eine vollständige Kapelle mit Altar und Sakristei.
In Deutschland gab es seit 1950 Kapellenwagen. Sie dienten dazu, die Seelsorge für die verstreuten deutschen Heimatvertriebenen aufrecht zu erhalten. Insgesamt waren über die Jahre 35 dieser fahrenden Kirchen im Einsatz. Der letzte dieser Kapellenwagen wurde 2015 dem Berliner Dokumentationszentrum gegen Vertreibungen übergeben.
Das Hilfswerk "Kirche in Not" hat dann Ende der 1990er-Jahre die Russisch-Orthodoxe Kirche mit Kapellenschiffen unterstützt. Mittlerweile waren und sind nach Angaben des Hilfswerks schwimmende Kirchen auf Wolga, Don und dem brasilianischen Amazonas unterwegs. Schwimmende Kirchen schippern auch in Kambodscha oder London.
In Deutschland gibt es etwa die Flussschifferkirche im Hamburger Hafen. Allerdings ist das frühere Kirchenschiff des Bistums Essen seit über zehn Jahren außer Dienst und mittlerweile in privater Hand. Eine ganz besondere Geschichte hat das Antwerpener Kirchenschiff St. Jozef. 1942 ursprünglich als deutsches Kriegsschiff gedacht, kam es jedoch nicht zum Einsatz. Die Alliierten befreiten Antwerpen, und damit war das Schiff eigentlich nutzlos geworden.
Oder auch nicht? Die belgische Regierung übernahm das Schiff und verkaufte es später dem Erzbistum Mechelen-Brüssel. Und so wurde aus Hitlers Kriegstanker im Jahr 1950 ein Kirchenschiff. In dem schwimmenden Gemeindezentrum finden regelmäßig Messen, Taufen und Trauungen statt. Inzwischen ist auch die schwimmende Kirche eine Touristenattraktion, wo man Leib und Seele stärken kann – erst in der Kapelle, dann in der öffentlichen Kantine an Bord.
(kna)
Autor:Online-Redaktion |
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