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Senegal
Jenseits von «Gert und Traudl»

Deutschlehrertag: Die Globalisierung definiert sich im Senegal auch durch ein größeres Interesse an der deutschen Sprache. | Foto: Foto: epd-bild/Raphael Hilarion
  • Deutschlehrertag: Die Globalisierung definiert sich im Senegal auch durch ein größeres Interesse an der deutschen Sprache.
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Rund 20 000 junge Menschen in dem westafrika-nischen Land lernen Deutsch. Für viele ist Deutschland ein Traumland. Doch die Lehrer kämpfen mit überfüllten Klassen, es fehlen Bücher und Partnerschulen für den Austausch.

Von Martina Zimmermann

Auf dem sandigen Pausenhof weht die senegalesische Fahne, Mädchen und Jungen suchen unter einem Akazienbaum Schatten. Als die Schulklingel schellt, stürmen sie zu den Klassenzimmern. In der Gesamtschule CEM in Mbour, einer Großstadt im Westen Senegals, lernen zwei Klassen Deutsch: je 45 und 48 Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren.
Lärm erfüllt das Klassenzimmer, Stühle und Bänke werden gerückt, weitere Plastikstühle hereingetragen, denn es ist nicht genug Platz für alle da. Die Jungen und Mädchen tragen T-Shirts oder afrikanische Kleider, sie lachen und reden laut durcheinander.
«Ruhe!», ruft Rokhaya Diop Ndiaye, während ein Schüler die Tafel putzt. Die 59-Jährige ist Deutschlehrerin, «aus Liebe zur Literatur», wie sie sagt. Sie verteilt Fotokopien, Schulbücher gibt es nicht für alle. Ein Junge und ein Mädchen kommen nach vorne, sie spielen eine Szene aus dem Lehrbuch, einen Dialog zwischen Adama und Markus: Adama lädt Markus zum Geburtstag ein. Am Ende klatschen die anderen begeistert.
«Wenn ich groß bin, möchte ich Deutschland besuchen», sagt die 15-jährige Ouly Faye: «Ich glaube, dort ist es wunderbar.» Und Ousmane Sarr sagt, er möge «den Klang der deutschen Wörter»: «Ich träume davon, eines Tages nach Deutschland zu gehen.» Der 17-Jährige kennt sämtliche Fußballklubs, «Bayern, Dortmund, Leipzig», zählt er auf. Er möchte in Deutschland studieren und dann wieder nach Senegal zurückkommen.
Rund 20 000 junge Senegalesinnen und Senegalesen lernen Deutsch, nach Spanisch und Arabisch ist es die drittbeliebteste Fremdsprache. Im März kamen rund 100 Lehrer in der Hauptstadt Dakar zum Deutschlehrertag zusammen, einer Veranstaltung des Deutschlehrerverbandes gemeinsam mit Goethe-Institut und Deutscher Botschaft.
Die Globalisierung definiere sich in dem westafrikanischen Land auch durch ein größeres Interesse an der deutschen Sprache, freut sich der Direktor des Goethe-Instituts in Dakar, Philip Küppers. Die Sprache der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich ist bis heute offizielle Amtssprache im Senegal, auch der Schulunterricht findet meist auf Französisch statt.
Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im vergangenen Jahr das Mariama Ba-Gymnasium in Dakar besuchte, war das der bisherige Höhepunkt der Schulgeschichte. Die besten Schülerinnen kommen aus allen Landesteilen in dieses Internat. Oft sind sie aus Familien, die Geld für Ausstattung und sogar für eine Reise nach Deutschland aufbringen können. Im Deutschzimmer stehen den Schülerinnen Wörterbücher, Romane und Filme zur Verfügung.
Doch die meisten Deutschlehrer im Senegal kämpfen mit überfüllten Klassen und mangelndem Lehrmaterial. Das schlägt sich im Sprachniveau nieder. «Die sprechen wie Bücher», beklagt Amadou Sow, Fachinspektor für Deutsch an der Akademie von Dakar: Mit 45 Kindern in einer Klasse komme nicht jeder zu Wort.
Auf dem Deutschlehrertag gibt er einen Workshop dazu, wie Lernende in Gruppenarbeiten zum Sprechen und Kommunizieren gebracht werden können. Es brauche «Mut und Engagement» seitens der Lehrer, erklärt der 39-jährige Djibril Thiam, Deutschlehrer in Kaolack: «Trotz überfüllter Klassen kann man mit motivierten Schülern etwas schaffen.» Am meisten fehlen den Lehrern und Lehrerinnen aber Kontakte in deutschsprachigen Ländern: Sie wünschen sich Partnerschulen für einen Austausch.
Als Lehrer brachte Madiyou Toure einer ganzen Generation von heutigen Deutschlehrern und -lehrerinnen die Sprache und die Liebe zu Deutschland bei. Als er selbst in den 1970er-Jahren die Sprache lernte, ging es in seinem Lehrbuch um «Gert und Traudl», wie sich der 67-jährige Rentner erinnert. Philip Küppers spricht von «Bildern, die wir heute als unzumutbar oder teils sogar rassistisch in die Ecke stellen würden.»
Toure hat dann selbst mitgearbeitet an Lehrmaterial, das besser an die westafrikanische Realität angepasst ist: «Ihr und Wir» ist bis heute Standardwerk für den Deutschunterricht. Goethe-Institut und Hueber Verlag gestalten nach eigenen Angaben derzeit eine neue Version, didaktisch auf dem neuesten Stand, mit einem aktuellen und klischeefreien Deutschlandbild.
Auch Internet und Apps bieten gute Möglichkeiten für den Sprachunterricht. Deutsch gelte als praxisorientiert, sagt Fachinspektor Amadou Sow: «Das Ziel der Jugend ist es, möglichst bald einen Beruf zu haben.» Immer mehr Lernende wollten in Deutschland auch studieren.
Deutschland als Traumland? Trotz Wissensbedarf «haben wir im Senegal ein sehr positives Bild», sagt Botschafter Sönke Siemon: «Wir wollen die Verbindung ausbauen, wirtschaftlich, kulturell, in jeder Beziehung.» Derzeit wird ein neues Gebäude in Dakar für das Goethe-Institut gebaut, das Deutschland auch im Stadtbild sichtbarer machen soll.
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz stelle eine sehr große Motivation für Deutschlernende dar, stellt Philip Küppers fest. «Wir haben in unseren Kursen im Goethe-Institut viele Schülerinnen und Schüler, die das Niveau für Fachausbildung haben, etwa zum Elektroniker oder Mechaniker in Deutschland.» In den Medien werde viel von dem Gesetz berichtet und alle Deutschlernenden wüssten davon: «Wenn es dann aber nicht sehr bald auch Erfolgsgeschichten gibt, wird das zu einer sehr großen Frustration führen.» Die restriktive Visapolitik müsse nachjustiert werden.
Die Deutschlehrerin Rokhaya Diop Ndiaye an der Gesamtschule in Mbour aber will nicht auswandern: «Ich möchte nicht weg von hier.» Sie sei zu einer Fortbildung in Wien gewesen, im Winter. «Kalte Erinnerungen», sagt sie und lacht dann fröhlich.

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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