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Mein Gemeinde-Einsatz in Estland

Die große Bühne auf dem Lauluväljak, dem Tallinner Sängerfeld  | Foto: visitestonia.com
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  • Die große Bühne auf dem Lauluväljak, dem Tallinner Sängerfeld
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Im Juli 2019 stand ich mit 23 000 Sängern auf einer Bühne beim Laulupidu, dem estnischen Sängerfest, auf dem Lauluväljak in Tallinn und habe estnische Volkslieder gesungen.

Von Lucia Demuth

Ein wunderschöner Abschluss meines Freiwilligendienstes in Estland und eine tolle Möglichkeit, estnische Traditionen und Kultur mitzuerleben. Für die meisten Esten hat dieses Fest eine große Bedeutung. Während der Herrschaft der Sowjetunion war das Singen von estnischen Volksliedern und das Zeigen der estnischen Flagge verboten. So entwickelte sich eine Form des friedlichen Widerstandes, die sogenannte Singende Revolution. Diese führte unter anderem dazu, dass am 23. August 1989 eine Menschenkette singender Menschen durch das ganze Baltikum von Vilnius nach Tallinn gebildet wurde. Heute werden beim Laulupidu die Unabhängigkeit Estlands und die estnische Sprache gefeiert.

Estland als einer der drei baltischen Staaten in direkter Nachbarschaft zu Russland, ist durch die Geschichte und mehrfache Fremdherrschaft verschiedener Großmächte und entsprechende Unabhängigkeitskämpfe stark geprägt. Die Einflüsse der verschiedenen Fremdherrschaften sind noch heute an einigen Stellen erkennbar und sind mir während meines Jahres in Estland immer wieder begegnet.

Für ein Jahr hatte ich das Glück, im Herzen Tallinns in der Pühavaimu Gemeinde zu leben und dort im Kindergarten zu arbeiten. Pesake, was auf Estnisch Nest bedeutet, ist ein kleiner Kindergarten in der Altstadt Tallinns, in dem ich den Großteil meiner Zeit verbracht habe. Ob stundenlanges Puzzeln, die Musikstunde mit estnischen Kinderliedern und Tänzen oder die täglichen Spaziergänge mit den Kindern zum Spielplatz – all das hat mir und den Kindern sehr viel Spaß gemacht. Am Sonntag habe ich den Kindergottesdienst der Gemeinde mitgestaltet und beim Kirchencafé geholfen. Während des Jahres durfte ich mit meiner Chefin, der Jugendpastorin der Gemeinde, zwei Reisen nach Finnland und in die Region Udmurtien in Russland unternehmen. Dies waren für mich besondere Erlebnisse, bei denen ich in Gesprächen mit ihr und anderen Menschen viel über die Geschichte und die Besatzungszeiten Estlands lernen konnte. Dadurch konnte ich auch die Situation im Land und die Beziehung zu Russland besser verstehen.

Schon 2019 war nach der Annexion der Krim (2014) die Angst vor einem russischen Angriff in Estland zu spüren. Diese Angst ist durch den Angriff Russlands auf die Ukraine noch realer geworden. Die Bedeutung von Bündnissen wie der Nato und der Mitgliedschaft der baltischen Staaten in der EU ist dadurch noch einmal deutlicher geworden und kann als eine Art Lebensversicherung für einen kleinen Staat wie Estland gesehen werden. Diese Situation erschwert auch das Zusammenleben von Esten und der großen russischsprachigen Bevölkerungsgruppe in Estland.

Doch Estland hat neben der faszinierenden Geschichte und der Sängertradition noch viel mehr zu bieten: Besonders die Natur mit den tiefen unberührten Wäldern und die wunderschönen Seen haben mich fasziniert. Trotz des langen und kalten Winters konnte ich viel Zeit am Meer verbringen und einige Wanderungen in Estlands Nationalparks unternehmen. Die Menschen, die Natur und das estnische Lebensgefühl haben mich beeindruckt, sodass ich seit dem Ende meines Freiwilligendienstes häufig dorthin zurückgekommen bin. Erst in diesem Sommer bin ich mit dem Fahrrad einmal durchs Baltikum von Klaipeda bis nach Tallinn gefahren.
Mein Freiwilligendienst in Estland hat mir die Möglichkeit eröffnet, dieses wunderschöne Land, seine Natur und seine Geschichte kennenzulernen. Für ein Jahr in einem anderen Land zu leben, hat mich persönlich tief geprägt. Ich habe gelernt, mich kritisch mit meiner eigenen Rolle und meinen Privilegien auseinanderzusetzen und Strukturen zu hinterfragen.

Tipp: Online-Infoseminar zum FIJ, 11. November, 10 Uhr
leipziger-missionswerk.de

Die große Bühne auf dem Lauluväljak, dem Tallinner Sängerfeld  | Foto: visitestonia.com
Foto: Lucia Demuth
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