Blickwechsel
US-Protestanten: Rassismus ist Sünde
Die 3,5 Millionen Mitglieder zählende Evangelische Lutherische Kirche in Amerika (ELKA) bekommt erstmals afro-amerikanische Bischöfinnen.
Von Konrad Ege
Im Mai hat eine Synode in Pennsylvania Pastorin Patricia Davenport zur Bischöfin gewählt, und eine Synode in Wisconsin Pastorin Viviane Thomas-Breitfeld. Die Direktorin des ELKA-Programmes für Gerechtigkeit zwischen den Rassen, Judith Roberts, sprach von bedeutenden Entscheidungen in einer Kirche mit hauptsächlich weißen Mitgliedern.
Das lutherische Image in den USA: Skandinavisch und deutsch. Es ist nicht mehr ganz so ausgeprägt wie vor einem halben Jahrhundert. Doch: In den USA gehen die meisten Protestanten rassengetrennt zum Gottesdienst. Gegenüber der evangelikalen Forschungseinrichtung LifeWay Research erklärten 81 Prozent befragter Pastoren, ihre Gemeindemitglieder kämen hauptsächlich aus einer einzigen ethnischen Bevölkerungsgruppe.
Die Ursachen sind vielfältig, lassen sich finden bei Geschichte, Geografie und Kultur und bei Vorurteilen und Gewohnheit. Doch einiges ist, wie man so sagt, »in Bewegung«. Am 50. Jahrestag des Mordes an Martin Luther King im April versammelten sich mehrere tausend Menschen in der Hauptstadt Washington bei einer vom Nationalen Kirchenrat einberufenen Kundgebung.
Die Aktion des ökumenischen Verbandes protestantischer und orthodoxer Kirchen mit mehr als 100 000 Gemeinden sei der erste Schritt einer nationalen Kampagne, hieß es in dem Aufruf, »Rassismus zu Ende zu bringen«.
Kirchen seien gleichzeitig »Teil des Problems und ein Schlüssel zur Problemlösung«. Gemeinden wollten ihre Haltung zu »Rassismus und weißem Privileg« prüfen, und dann gesellschaftliche Missstände angehen. Weiße befreiten sich selber, wenn sie die »Sünde des Rassismus bekennen«, sagte der evangelikale Autor Jim Wallis. Reue bedeute nicht, dass man sich entschuldige, sondern dass man sein Leben verändere.
Rassismus sei ein »Werkzeug derer an der Macht«, betonte Pastorin Barbara Carter von der protestantischen Kirche »Community of Christ«. Afro-Amerikaner und Latinos haben in den USA deutlich niedrigere Einkommen und Vermögen als Weiße; die wirtschaftliche und politische Oberschicht wird vornehmlich von Weißen
gebildet.
Die ELKA wolle eine Kirche werden, die für Gerechtigkeit zwischen den Rassen arbeite und »wahrlich alle willkommen heißt«, erklärte die vorstehende Bischöfin Elizabeth Eaton. Lutheraner seien im 18. und 19. Jahrhundert aus Europa in die USA gekommen. »Wir blieben unter uns und waren meist außerhalb der vorherrschenden amerikanischen Kultur«. Doch Lutheraner als weiße Bürger hätten am »Privileg« teil, »nicht über die Realität des Rassismus in Amerika nachdenken zu müssen«.
Aus festgefahrenen Gewohnheiten auszusteigen und über Rassismus als Sünde zu sprechen, sei kein leichtes Unterfangen, sagte Judith Roberts. »Weiß-Sein« bringe in den USA Macht und Privilegien. »Weiße Kultur« existiere in Gemeinden selbst bei der Wahl der Form des Gottesdienstes. Das schade dem Auftrag der Verkündigung. »Wir verbreiten das Evangelium nicht, wenn wir in Silos leben«.
Die ELKA fordert Pastorinnen und Pastoren auf, an Kursen zum Umgang mit Rassenbeziehungen teilzunehmen. Man solle Beziehungen pflegen zu afro-amerikanischen Gemeinden. Die ELKA investiere bei Gemeindeaufbau in Regionen mit diverser Bevölkerung, sagte Roberts. Der Anlauf protestantischer Kirchen kommt zu einer schwierigen Zeit. Der Mann im Weißen Haus hat existierende gesellschaftliche Spannungen in krasser Form zum Ausdruck gebracht und verschärft. Man ist weit weg vom Ende der gesellschaftlichen Trennung. Der Generalsekretär des Kirchenrates, Jim Winkler, widersetzt sich dennoch dem Gedanken, dass »Rassismus beenden ein unrealistischer Traum« sei. Es gehe um Veränderung in den Herzen und Strukturen. Denn es sei nicht der Wille Gottes, dass Menschen Vorurteile haben und diskriminieren auf Grund der Hautfarbe.
Autor:Online-Redaktion |
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