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Blickwechsel
"Wir bitten um Frieden"

Fragen, Sorgen, Ängste: Der Krieg in der Ukraine setzt Menschen weltweit unter Schock – wie hier bei einer Demonstration in Weimar. | Foto: Paul-Philipp Braun
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  • Fragen, Sorgen, Ängste: Der Krieg in der Ukraine setzt Menschen weltweit unter Schock – wie hier bei einer Demonstration in Weimar.
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Die aktuelle Situation in der Ukraine mit Auswirkungen für die gesamte Welt erinnert mich an meine frühe Jugend in den 1960er-Jahren in der damaligen Bundesrepublik. Mit der Kuba-Krise hatte der Kalte Krieg einen ersten Höhepunkt erreicht.

von Joachim Liebig

Meine Eltern sprachen von drohendem Krieg; zum ersten Mal hörte ich das Wort „Atombombe“. Menschen meiner Generation haben sich – in der DDR wie in der BRD – später intensiv für den Frieden eingesetzt. Ich erinnere mich an Demonstrationen zum NATO-Doppelbeschluss im Westen. Die Kirchen in der DDR bezogen Position zum Wehrdienst und zum Konziliaren Prozess.

Bis vor wenigen Tagen schien es, als sei dieses Engagement nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der deutschen Wiedervereinigung – trotz aller Rückschläge – eine Erfolgsgeschichte. Auch ich teilte diese Meinung. Selbstkritisch frage ich mich nun, ob das zu naiv gedacht war. Bereits die Haltung des vormaligen US-Präsidenten Donald Trump ließ mich zweifeln, ob unsere auf Interessenausgleich ausgelegte Friedensordnung wirklich stabil bleiben könne. Russland hatte ich dabei als wenigstens berechenbaren Faktor betrachtet. Diese Annahme ist nun auf schreckliche Weise zerstört worden.

Neben den aktuellen Sorgen tauchen Fragen für die Zukunft auf: Wird es einen neuen Eisernen Vorhang geben? Werden Atommächte in der Lage sein, den Weltfrieden innerhalb kürzester Zeit zu gefährden? Sind die Fragen zum Klimaschutz den Verheerungen eines atomaren Krieges nachgeordnet? Als Christ frage ich im Besonderen: Welche Rolle werden die Kirchen künftig übernehmen? Als langjähriges Mitglied des „Petersburger Dialogs“ bin ich es gewohnt, mit unseren russischen Partnern vertrauensvoll und offen auch schwierige Fragen zu besprechen. Diese Möglichkeiten gibt es im Augenblick nicht. Dennoch halten die Kirchen in Deutschland ihre Gesprächswege zu den Kirchen in Russland, Weißrussland und natürlich in der Ukraine offen. Die Berichte von dort sind erschütternd und illustrieren die kaum erträglichen Bilder aus den Kriegsgebieten. Familien werden auf der Flucht auseinandergerissen, und es ist unsicher, ob Ehemänner, Väter oder Söhne lebend zurückkehren. Existenzen werden durch Raketen vernichtet.

Zugleich nehme ich unseren russischen Partnern aller Konfessionen ihre Betroffenheit über die Entwicklung ab. Uns verbindet die grundlegende Einsicht unseres Glaubens, Christus will keinen Krieg. Nach Kräften bemühen wir uns, miteinander in Verbindung zu bleiben und uns wechselseitig unsere bisweilen sehr unterschiedlichen Einschätzungen und Erfahrungen zu sagen. Am Ende aber bitten wir, ohne Verwischung der Unterschiede, Gott um Frieden. Schon jetzt wird zudem sehr deutlich, wieviel Vergebung notwendig sein wird, wenn der hoffentlich kommende Frieden dauerhaft sein soll.

Allein erfreulich ist die Hilfsbereitschaft vieler Menschen für die Flüchtenden aus der Ukraine. Es wird lange dauern, ihre Heimat wieder aufzubauen. Auch dazu werden sie Hilfe benötigen. Wir sollten dazu bereit sein.

Hintergrund
Der Autor ist Kirchenpräsident der Landeskirche Anhalts und Mitglied im „Petersburger Dialog“, einem zivilgesellschaftlichen Gesprächsforum, das die Verständigung zwischen Russland und Deutschland fördern will. Es wurde 2001 ins Leben gerufen. Der „Petersburger Dialog“ ruht von deutscher Seite seit Juli 2021, weil Russland einseitig einzelne deutsche Mitgliedsorganisationen für unerwünscht erklärt hat. Die kirchlichen Kontakte bestehen über den Petersburger Dialog hinaus bereits seit den 1950er-Jahren und werden aktuell weiter genutzt. 

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