Diakonieschwestern aus Arnstadt erzählen
Ein Leben in Briefen
Diese Briefe sind ein Glaubenszeugnis“, sagt Schwester Renate und klingt fast überrascht über diese Erkenntnis.
Von Renate Wähnelt
„Diese Briefe“ schrieben sich 14 Diakonieschwestern des Zehlendorfer Diakonievereins, die 1958 zur gleichen Zeit am Kreiskrankenhaus Arnstadt ihr Examen machten und direkt darauf geschlossen das Krankenhaus verließen. Anlass war die Alternative, vor die sie gestellt wurden: ihrem Glauben treu bleiben oder gehen. „Sie hatten uns ja alle gemeinsam gefragt“, erinnert sich Schwester Renate.
Die meisten der jungen Frauen, 1937 und 1938 geboren, traten in den folgenden Jahren freiwillig aus der Schwesternschaft aus, teils um zu heiraten, teils wegen eines einengenden Gefühls. Doch sie verloren nicht ihren Glauben. Und sie verloren einander nicht aus den Augen. Am Zusammenhalt dieser Wahl-Familie hatten neben persönlichen Freundschaften die Briefe einen großen Anteil.
In der ganzen DDR hatten die frisch examinierten Diakonieschwestern Arbeit gefunden. Schwester Marlies, gut sechs Jahre älter als die Kursgeschwister, folglich ein höherer Ausbildungsjahrgang, war von den jungen Frauen der Tradition folgend zur Kursmutter auserkoren worden. Sie war es auch, die den Rundbrief initiierte, in dem reihum jede aus ihrem Leben berichtete. Mehr als 60 Jahre lang schrieben die Schwestern von Alltäglichkeiten, Familiengründung und Berufswechsel, Umzug und Krankheit, Freude aufs Rentnerdasein und gelegentlich vom Weltgeschehen. Hin und wieder wird auch Bezug auf Artikel in „Glaube und Heimat“ genommen.
Nachzulesen ist das in den beiden Bänden „Bekenntnis & Aufbruch“, herausgegeben und kommentiert von dem Historiker Stefan Stadtherr Wolter. Zu seiner Verwandtschaft gehörte die Kursschwester Ruth Begrich; während ihrer Beerdigungsfeier lernte er Schwester Renate und Schwester Christel kennen, erfuhr vom Rundbrief und stimmte mit den Frauen überein, dass dieses Langzeitdokument bewahrt werden muss.
Die Briefschreiberinnen werden beim Lesen zu guten Bekannten. Schwester Renate wollte von klein auf Diakonieschwester werden. Vorbild waren Eisenacher Diakonissen, erzählt sie. In den letzten Jahren hat vor allem sie persönliche Treffen der Frauen organisiert. Begegnungen, von denen sie in den folgen-den Briefen schwärmten und zehrten.
Beeindruckend, dass bei aller Mühe, bei Krankheit und Tod keine Verbitterung zu spüren ist. Vielmehr schreiben die Frauen davon, wie dankbar sie sind, und wie sehr sie sich getragen fühlen. Eben ein Glaubenszeugnis.
Schwester Renate blieb der Schwesternschaft treu, nicht ohne traurig manch Veränderung zu betrachten. „Wir hatten so eine schöne Tracht“, bedauert sie noch heute den Abschied von der praktischen Kleidung. Dabei ist sie Realistin genug zu wissen, dass viele Regeln, die einst galten, heute überholt sind. Auch davon ist in den Briefen, manchmal nur zwischen den Zeilen, zu lesen.
Stadtherr Wolter, Stefan (Hg.): Bekenntnis & Aufbruch (I) und (II), Books on Demand, 320 u. 336 S, ISBN 978-3-75575-130-4 u. 978-3-75575-439-8; je 12,99 Euro
Autor:Online-Redaktion |
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