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Weinbau in Zeiten des Klimawandels
Es werde Humus

Winzer David Klenert aus dem mittelbadischen Kraichtal baut seine Reben so an, dass der Boden im Weinberg mehr Humus bildet und mehr Kohlendioxid binden kann: «Ich will die Böden fitmachen für den Klimawandel.» Deutsche Winzer könnten sich eigentlich über die Erderwärmung freuen.

«Wir sind die einzigen in der Landwirtschaft, die teilweise vom Klimawandel profitieren», sagt David Klenert. Die Qualität der Weine sei in den vergangenen 20 Jahren viel besser geworden. Dennoch fühlt sich Klenert mitverantwortlich, in seinen Weinbergen der Aufheizung der Atmosphäre etwas entgegenzusetzen.
Der 30-Jährige hat sich deshalb auf den Weg gemacht, Deutschlands erster «Klima-Winzer» zu werden. Vorausgegangen waren Überlegungen, wie sich die Qualität der Böden verbessern lässt. Hier ist seiner Einschätzung nach in den vergangenen Jahrzehnten im konventionellen Weinbau vieles falsch gelaufen. Anstatt die natürliche Biologie zu unterstützen, habe man vor allem auf Dünger und Pflanzenschutzmittel gesetzt.

Das Ergebnis: Der Anteil des Humus, in dem Pilze und Bakterien den Rebwurzeln zuarbeiten, sei auf 1,5 Prozent gefallen. Die Mission des Jungunternehmers, den auch sein christlicher Glaube motiviert: «Ich will die Böden fitmachen für den Klimawandel und für nachfolgende Generationen.» Dazu hat er mit einem befreundeten Landwirt aus dem Nachbardorf und mit dem Zertifizierungsunternehmen «CarboCert» aus Bodnegg bei Ravensburg eine mehrgleisige Strategie entwickelt. Zum einen hält er den Boden zwischen den Rebstöcken nicht mehr grünfrei, sondern pflanzt dort gezielt Gräser, Kreuzblütler und Leguminosen an. «Jede Pflanzenart füttert einen anderen Teil der Bodenbiologie», erklärt er.

Im nächsten Schritt werden diese Pflanzen zwischen den Reben in einer dünnen Schicht von zwei bis drei Zentimetern umgegraben. «Einschälen» nennen die Experten dieses Verfahren. In diesem Prozess – und das ist die Besonderheit von Klenerts Bewirtschaftung – sprüht er auf das umgepflügte Grün Milchsäurebakterien, die verhindern, dass der Pflanzensaft einfach wegtrocknet. Stattdessen verwandeln die Bakterien ihn in organische Masse.

Wenn der Humusanteil im Boden um einen Prozentpunkt steigt, bindet das nach Angaben von CarboCert rund 50 Tonnen Kohlendioxid pro Hektar bezogen auf 25 Zentimeter Bodentiefe. Das Treibhausgas wird also auf natürliche Weise im Boden gehalten und kann dem Klima nicht länger schaden.
Mehr Humus bedeute auch mehr Biodiversität und bessere Wasseraufnahme, betont Wolfgang Abler von CarboCert. Das Unternehmen arbeitet mit mehr als 200 «Klima-Landwirten» in Deutschland und der Schweiz zusammen. Über Zertifikatshandel bekommen sie Geld, wenn sie messbar Humus aufbauen und damit CO im Boden speichern.

Klenerts Ziel ist es, auf seiner derzeitigen Weinbaufläche von 11,5 Hektar den Humusanteil von aktuell durchschnittlich 2,2 auf rund 4,5 Prozent zu verdoppeln. Seiner Kenntnis nach arbeite er bislang als einziges Weingut in Deutschland mit dem Milchsäurebakterien-Verfahren.
Beim Staatlichen Weinbau-Institut in Freiburg sieht man die Methode weniger euphorisch. Bodenexpertin Monika Riedel warnt vor einer zu starken Erhöhung des Humusanteils, weil das zu Fäulnisproblemen führen könne. In der Regel seien zwei Prozent ein optimaler Wert - auf tonigen Böden brauche es mehr, auf sandigen weniger.

Die Expertin weist zudem darauf hin, dass mehr Humus zwar mehr Kohlendioxid binde, dieser Stoff aber bei der Bodenbearbeitung oder dem Roden des Weinbergs zeitversetzt wieder freigegeben werde. Fürs Klima sei deshalb nur vorübergehend, aber nicht dauerhaft etwas gewonnen.
Mit seinem Winzerbetrieb ist Jung-unternehmer und Familienvater Klenert jedenfalls ein guter Start gelungen: Das Land Baden-Württemberg hat seinen Cuvée rot unter 140 Einsendungen als den besten befunden und ordert ihn zwei Jahre lang für Ehrungen, Empfänge und Feste. Er selbst allerdings, sagt Klenert, trinke werktags in der Regel keinen Alkohol. Allenfalls gelegentlich bei einem Fest.

Marcus Mockler (epd)

Autor:

Online-Redaktion

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