Umjubelt: Enrico Lübbes Neuinszenierung von Richard Wagners »Tristan und Isolde« begeistert an der Oper Leipzig
Gelungenes Gesamtkunstwerk
Das Besondere an der neuen Inszenierung von Richard Wagners Oper »Tristan und Isolde« an der Oper Leipzig ist das Regieteam um Enrico Lübbe und seinen Bühnenbildner Étienne Pluss. Das erweist sich insofern als ein Glücksgriff, als »Tristan und Isolde« gemeinhin als handlungsarmes Kammerspiel gilt, dessen Plot darin besteht, dass die Königstochter Isolde, um einer Heirat mit König Marke zu entgehen, ein vermeintliches Gift zu sich nimmt, dass sich jedoch als Liebestrank erweist, so dass sie sich mit ihrem Geliebten Tristan vereinen kann, wenngleich erst in beider Tod.
Dem Team Lübbe gelingt es, die komplizierte Seelenlandschaft dieser Oper spannungsvoll zu durchleuchten. Das geschieht mittels eines dunklen Vorhangs, der von einem Lichtrahmen umgeben ist, der als Grenze zu einer anderen Dimension dient, die – je nach Lichtgebung – dahinter einen Schiffsfriedhof erkennen lässt, auf dem sich Teile dieser »Handlung« abspielen. Mittels raffinierter Installationen der Videokünstler von "fettFilm" verschwimmen die Traumwelten im Hintergrund immer neu und anders mit dem Liebes-Sehnsuchts-Weg der Protagonisten.
So sehenswert wie diese Inszenierung sich über viereinhalb Stunden präsentiert, so hörenswert ist sie, dank der großartigen Solistinnen und Solisten, allen voran Meagan Miller als Isolde. Wie sie die stimmlichen Anforderungen meistert und sich am Ende noch furios steigert, ist sensationell und wurde vom Publikum lautstark gefeiert. Daniel Kirch als Tristan läuft nach etwas verhaltenem Beginn im 2. und 3. Akt zu großer Form auf und präsentiert zusammen mit seiner Partnerin die berühmte Liebesarie »Ewig einig, ohne End’« so überzeugend, dass das Publikum regelrecht dahinschmilzt. Auch inszenatorisch ist Lübbe hier voll auf der Höhe; lässt seine beiden Protagonisten sich über die äußerste Bühnendistanz im Lauf dieses Duettes aufeinander zubewegen und auf dem Schiffsfriedhof zueinander finden, Beispiel dafür, wie Spiel, Gesang und Orchester unter der musikalischen Leitung von Opernchef Ulf Schirmer miteinander harmonieren. So gelingt es dem Schauspielmann Lübbe immer wieder, die Grenzen von Sprech- und Musiktheater virtuos zu verschmelzen, getragen vom geschmeidig aufspielenden Gewandhausorchester. Neben Barbara Kozelj als Brangäne zeichnet sich besonders der junge stimmgewaltige Bass Sebastian Pilgrim als König Marke aus. Kurzum: Ein gelungenes Gesamtkunstwerk und großes Musiktheaterereignis.
Matthias Caffier
Nächste Vorstellungen: 10. November 2019, 14. März 2020, jeweils 17 Uhr
Autor:Online-Redaktion |
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