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Philosophie
Genie des Herzens

Blaise Pascal - französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler (19.06.1623 - 19.08.1662). Am meisten faszinierte den 1623 zu Clermont in der Auvergne geborenen Wissenschaftler das rätselhafte Wesen Mensch, sein Platz in der Schöpfung, seine Situation zwischen Verzweiflung und Selbstüberhebung.  | Foto: epd-bild / Keystone
  • Blaise Pascal - französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler (19.06.1623 - 19.08.1662). Am meisten faszinierte den 1623 zu Clermont in der Auvergne geborenen Wissenschaftler das rätselhafte Wesen Mensch, sein Platz in der Schöpfung, seine Situation zwischen Verzweiflung und Selbstüberhebung.
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Vor 400 Jahren wurde Blaise Pascal geboren. Der Mathematiker, Ingenieur, Naturwissenschaftler, Mystiker und Philosoph war auch ein sehr früher Computer-Pionier - und er ging eine Wette auf die Existenz Gottes ein.

Von Stephan Cezanne (epd)

Blaise Pascal gehört zu den Vordenkern der modernen Welt. Für den französischen Philosophen Albert Camus
(1913-1960) war sein Landsmann schlicht «der größte von allen, gestern und heute». Der Romancier Michel Houellebecq vergleicht dessen Lektüre mit Rock n Roll und Heavy-Metal. Vor 400 Jahren, am 19. Juni 1623, wurde Pascal - Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieur, Philosoph, Schriftsteller, Journalist und christlicher Mystiker - im heutigen Clermont-Ferrand in der Auvergne geboren.

Dem jungen Blaise sei ein Schicksal vorgezeichnet gewesen, das sich kaum von dem seines Vaters, Großvaters und Urgroßvaters unterscheiden sollte, schrieb sein Biograf Jacques Attali: «Dem Staat in einer seiner zahlreichen lokalen Instanzen zu dienen.» Die Mutter Antoinette starb bereits drei Jahre nach seiner Geburt. Die Schwester Gilberte war seine erste Biografin, die hochbegabte Schwester Jaqueline wurde Nonne. Sein Vater Étienne, Jurist und Mathematiker, erkannte früh die Genialität seines Sohnes und unterrichtete ihn selbst. Vielleicht war Blaise ein Wunderkind, weil er «nie eine Schule besucht hat», erklärte einmal der Philosophie-Historiker Wilhelm Weischedel.

Das Leben von Pascal unterteilt sich dem österreichischen Kulturphilosophen Egon Friedell (1878-1938) zufolge zur einen Hälfte in die «glänzende Laufbahn eines modernen Gelehrten», zur anderen Hälfte in die eines Gottsuchers. Bereits als Teenager leistete er Erstaunliches auf dem Gebiet der Mathematik, etwa in der Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Mit seinen Experimenten zum Vakuum widerlegte er die damalige Physik, heute wird Druck in der Einheit «Pascal» (Abkürzung: Pa) gemessen. Auf ihn geht zudem ein Konzept für einen Omnibusverkehr mit Pferden für Paris zurück. Um seinem Vater die Berechnungen für dessen Amtsgeschäfte zu erleichtern, konstruierte er 1642 im Alter von 19 Jahren eine Rechenmaschine. Die «Pascaline» gilt als ein Vorläufer der heutigen Computer.

Pascals bekanntestes Werk ist die Aphorismus-Sammlung «Gedanken» (Pensées), die acht Jahre nach seinem Tod erschien. Die Lebensaufgabe des großen Denkers habe darin bestanden, die Worte auf ihr Wesen, auf ihre Essenz zu reduzieren, erklärte der Literaturprofessor und renommierte Buchautor Andrew Hui vom Yale-NUS College in Singapore: «Für Pascal sind alle endlichen Dinge Fragmente, denn sie sind nichts als aus der Unendlichkeit gerissene Stücke.»

Das Zitat «Das Herz hat seine Gründe, von denen die Vernunft nichts weiß» sei dem Denken von Pascals Zeitgenossen René Descartes (1596-1650) entgegengesetzt, der darauf beharrt habe, klare und eindeutige Ideen zu haben, sagte Hui dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für Pascal stehe der berühmte Satz von Descartes, «Ich denke, also bin ich», auf wackligen Füßen, denn das Selbst, das Descartes als Grundlage allen Denkens ansieht, sei «nur ein verarmtes Ding.»

Wenn Pascal schreibe «Wir erkennen die Wahrheit nicht nur durch den Verstand, sondern auch durch das Herz», sei dieses Herz («coeur») Hui zufolge nicht im romantischen Sinne eines spontanen Gefühlsausbruchs zu verstehen, sondern im Sinne von Intuition oder Eingebung.

Berühmt geworden ist Pascals Wette auf die Existenz Gottes. Der Glaube könne wahr sein, warum sollte man ihn also nicht annehmen, da man dadurch nichts verliere: «Wenn ihr gewinnt, so gewinnt ihr alles, und wenn ihr verliert, so verliert ihr nichts.» Mit anderen Worten: Existiert Gott, erlangt man ewige Glückseligkeit, wenn nicht, habe man nichts verloren. Die Pascalsche Wette ist kein Gottesbeweis, sondern eine Einladung zum Glauben. Pascal selbst hat nach eigenen Worten in einer Novembernacht 1654, mit 31 Jahren, eine mystische Verbindung mit Gott erlebt.

Mit seiner Analyse der menschlichen Seele beeinflusste Pascal die Psychoanalyse und heutige Psychologie sowie Philosophen wie Friedrich Nietzsche (1844-1900) oder Jean-Paul Sartre (1905-1980). Bei Pascal wird das Herz zum Organ der Erkenntnis, das zwischen weise und töricht unterscheidet und in die Tiefe der menschlichen Existenz eindringen kann.

Niemand habe besser als dieser Mann des 17. Jahrhunderts die Fragen verstanden, die sich der Mensch zu Beginn des 21. Jahrhunderts stelle, bilanziert sein Biograf Attali: «Er war einer der ersten, die aus der Vergänglichkeit des menschlichen Daseins den Grund für das Verhalten der Menschen ableiteten und vorhersahen, dass die Angst vor dem Tod die Flucht in Zerstreuungen und Gleichgültigkeit bewirkt.»

Blaise Pascal lebte intensiv und rastlos wie eine von zwei Seiten brennende Kerze. Seiner Schwester Gilbert schrieb er einmal, er habe seit seinem 18. Lebensjahr keinen Tag ohne körperliche Schmerzen zugebracht. Er stirbt am 19. August 1662 mit nur 39 Jahren in Paris, mutmaßlich unter anderem an einer Hirnblutung. Sein Grab befindet sich in der Pariser Pfarrkirche St-Étienne-du-Mont. In seinen «Gedanken» vermerkte er selbst: «Schließlich wirft man uns Erde aufs Haupt, und das ist für immer.»

Autor:

Katja Schmidtke

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