Kommentar
Grün und stark
Von Beatrix Heinrichs
Sie ist winzig, grün und ziemlich gefräßig: Die kleine Raupe Nimmersatt. Seit 50 Jahren knabbert sie sich durch Kinderzimmer auf der ganzen Welt. Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein Ei, ein Knack und die Natur nimmt ihren Lauf. Sieben Tage schlägt sich Nimmersatt mit allerlei Köstlichkeiten den Bauch voll, verpuppt sich, um dann als wunderschöner Schmetterling aus dem Kokon zu schlüpfen.
Bei uns zu Hause war das Bilderbuch mit den fingergroßen Löchern ein Dauerbrenner. Ganz sicher, weil meine Kinder gerne essen. Vielleicht auch, weil die Botschaft schon bei den Jüngsten ankommt. Sind sie nicht selbst wie kleine Raupen? Eine Kindheit lang müssen sie sich – im wahrsten Sinne des Wortes – durchbeißen: von den ersten Schritten, über das Einmaleins bis zum Kribbeln im Bauch, das schon mal wehtun kann, als hätte man zuviel Früchtebrot gegessen. Da braucht es eine ordentliche Portion Geduld, Mut und vor allem Zuversicht, um zu wissen: Verzage nicht, es lohnt die Mühe, du kannst alles sein.
Der US-amerikanische Kinderbuchautor Eric Carle war es, der das hungrige Insekt seinerzeit mit Collagen aus bemaltem Seidenpapier zum Leben erweckte. Die Metamorphose der Raupe erzählt auch die Geschichte ihres Schöpfers. Als Sohn deutscher Einwanderer vor bald 90 Jahren in den USA geboren, kehrte die Familie 1935 nach Deutschland zurück – eine fremde Welt für den damals 7-Jährigen, dem die Schule ein Graus war. Anfang der 1950er-Jahre zog es ihn »heim«, wo er sein Kindheitstalent entfaltete: Als Grafiker bei der New York Times.
Gut, dass es Geschichten wie die der kleinen Raupe Nimmersatt gibt.Sie stimmen hoffnungsfroh, dass alles möglich ist – wenn wir nur das Staunen nicht verlernen.
Autor:Online-Redaktion |
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