Folge 23 – 1968 und 1969
Händedruck und Kirchenbund
Im Jahr 1968 soll über eine neue Verfassung für die DDR abgestimmt werden. Der Entwurf wird in den Gremien der Kirche diskutiert.
Von Dietlind Steinhöfel
Am 7. Februar wird eine Aussprache in Tabarz mit der Thüringer Kirchenleitung und Vertretern des Staates anberaumt. Die Synode der Thüringer Kirche ist besorgt, ob die Anliegen der Christen genug berücksichtigt werden. Die Synode stellt sich ausdrücklich hinter die Bemühungen des Landesbischofs und des Landeskirchenrates, neben einer authentischen Interpretation auch eine Präzisierung des Artikels 38 (Ehe, Familie und Erziehung) zu erreichen. Der Staat reagiert und fügt einen Artikel 39 ein, der Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet und sicherstellt, dass Religionsgemeinschaften selbstständig ihre Angelegenheiten ordnen können. Eine große Frage zieht sich durch die Zeitungsausgaben: Wie wird Kirche sein? Zahlreiche Themen werden diskutiert, so zu den überlieferten Texten wie Vaterunser oder Glaubensbekenntnis, zur Einbeziehung der Jugend und der Gemeindeglieder. So werden zum Beispiel Lektorenrüstzeiten angeboten. Und die Thüringer Kirche wirbt Männer und Frauen für den Kirchlichen Fernunterricht der Kirchenprovinz Sachsen (KFU). Wie in einer Notiz zu lesen ist, stieß diese Werbung auf große Resonanz. "Weg vom Ein-Mann-Gottesdienst", heißt die Devise.
Zahlreiche Jugendgottesdienste auf Kirchenkreisebenen – wie in Tambach-Dietharz oder Lohma – oder der Thüringer Landesjungschartag im Erfurter Lutherpark bereichern das kirchliche Leben. Erstmals wird 1969 der Weltgebetstag auf den ersten Freitag im März festgelegt. Bisher wurde er immer am ersten Freitag in der Passionszeit gefeiert. Am 5. April wird Martin Luther King in Memphis ermordet. Neben der Nachricht erscheint einige Ausgaben später ein Beitrag in der Kinderrubrik über den farbigen Pastor.
Im Jahr 1969 werden die Vorbereitungen zu einem "Bund der evangelischen Kirchen in der DDR" konkret. Die Thüringer Synode beschließt den Beitritt ihrer Landeskirche. Am 14. und 15. Dezember wird die konstituierende Sitzung des Kirchenbundes nach Potsdam-Hermannswerder einberufen. Alle acht ostdeutschen Landeskirchen werden Mitglied. Die Evangelische Kirche in Deutschland konnte die Anliegen der Kirchen der DDR nicht mehr regeln, vor allem nicht auf juristischem Gebiet. Der Vorsitzende der bisherigen Konferenz der Kirchenleitungen der DDR und designierte Leiter des entstehenden Bundes, Albrecht Schönherr, äußerte sich in einem Interview: Es gehe nicht um die Aufkündigung der Gemeinschaft mit den Kirchen in der Bundesrepublik, mit denen man neben der gemeinsamen Sprache auch durch eine gemeinsame Geschichte verbunden ist; solche Gemeinschaft müsse sich nicht in gemeinsamen Organen ausdrücken.
Der Thüringer Oberkirchenrat Ingo Braecklein wird Präses der gemeinsamen Synode.
Fundstücke
Feiertage: Mit der Einführung der Fünf-Tage-Woche trat im Mai 1967 eine neue Feiertagsregelung in der DDR in Kraft. Der Buß- und Bettag wurde als Feiertag gestrichen. Die Kirchenzeitung ruft in Nr. 46/1968 dazu auf, sich über die Gottesdienste an diesem Tag zu informieren.
Wanderausstellung: Die Kirchenzeitung schreibt einen Wettbewerb für Kinder für eine Ausstellung künstlerischer Arbeiten zum Thema "Die großen Taten Gottes" aus. Diese Zeichnungen und Collagen werden im Sommer in der Jenaer Kirche St. Michael ausgestellt und stehen im Anschluss anderen Gemeinden als Wanderausstellung zur Verfügung.
Händedruck: Soll ein Pfarrer die Gemeindeglieder an der Kirchentür verabschieden? Diese Frage wird 1969 heftig diskutiert.
Ökumene: 1969 besucht Papst Paul VI. den Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf. Der Schweizer Theologe Lukas Vischer sagt hierzu: "Der Papst hört nicht auf, der Papst zu sein, wenn er nach Genf kommt – aber wenn er dies tut, hören auch die Kirchen der Reformation nicht auf, reformatorische Kirchen zu sein."
Farbe: Die Titelseite der Weihnachtsausgabe 1969 hat erstmals eine Schmuckfarbe – Grün.
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Autor:Online-Redaktion |
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