40 Jahre "Tote Hosen"
In der Kirche ging der Punk ab
Es sei eine Mischung aus "Angst, Abenteuerlust und das Spüren einer revolutionären Kraft" gewesen, erinnert sich der Sänger der Punkband "Tote Hosen", Campino. Und: Dass die Band illegal in der DDR gespielt habe, gehöre "zu den wichtigsten Momenten unserer Bandgeschichte".
Von Birgit Wilke
Die Band, die sich 1982 in Düsseldorf gründete, spielte zwei Mal in Ost-Berlin - jedes Mal unter abenteuerlichen Bedingungen. In dem Dokumentarfilm "Auswärtsspiel", zu sehen am 13. April ab 22.50 Uhr im Ersten, machen sich die Musiker rund 40 Jahre nach ihrem ersten Auftritt erneut auf die Reise nach Berlin zu ihren Spielstätten - statt eines klapprigen Busses fahren sie im bequemen Reisebus, statt zerrissener Jeans und gefärbten Haaren tragen die Endfünfziger alle schwarze Jeans und dunkle Jacken. Eingespielt werden Original-Aufnahmen aus den 80er-Jahren etwa an den DDR-Grenzkontrollen.
Zudem kommen neben den "Toten Hosen" Protagonisten aus der Zeit zu Wort wie die Mitglieder zweier Bands aus der DDR, die damals zusammen mit den Düsseldorfer Musikern auftraten. Auch ein Stasi-Offizier, der die Punk-Szene in der DDR beobachtete, und ein Sozialdiakon erinnern sich. Letzterer war damals Praktikant am ersten Auftrittsort der Band.
Das war die evangelische Erlöserkirche in Berlin-Rummelsburg. Den Kontakt hergestellt hatte der englische Musikmanager Mark Reeder. Der hatte Anfang der 80er-Jahre erfahren, dass es in einigen Kirchen der DDR sogenannte Blues-Messen gab. Reeder habe den zuständigen Pfarrer gefragt, ob er dort einen Kurzauftritt der Band, einen "Gig" machen könnte. "Einen Gig?", habe dieser geantwortet. "Das ist ein Gottesdienst. Sie müssen beten." Der Auftritt kam schließlich trotzdem im März 1983 zustande.
Der Zuschauer erfährt, dass Anlage und Instrumente von der Ost-Berliner Band "planlos" gestellt wurden, die dann vor den "Toten Hosen" in dem evangelischen Gemeindehaus vor rund 30 Menschen auftraten. Eingeschworenen Tatort-Fans dürfte dabei ein Bandmitglied bekannt vorkommen: Bernd Michael Lade spielte an der Seite von Peter Sodann einen Tatort-Kommissar.
Das zweite Mal kamen die "Toten Hosen" kurz vor der Wende 1988 erneut nach Ostberlin. Als Punkband waren sie inzwischen in der alten Bundesrepublik, aber auch in der DDR bekannt. Sie nahmen weniger Rücksicht und passierten den Berliner Grenzübergang dieses Mal in schrillem Outfit mit bunten Haaren. Wieder war ein Kirchengelände der Auftrittsort. Die Musiker spielten ein Open Air-Konzert auf dem Gelände der evangelischen Hoffnungskirche in Berlin-Pankow - mit einigen hundert Zuschauern. Anders als beim ersten Auftritt bekam die Stasi Wind von dem Auftritt.
Für die westdeutsche Band hatte das keine Konsequenzen. Anders sah es bei den Punkbands in der DDR aus. Punker gab es offiziell in der DDR nicht, sie galten als staatszersetzend. Sie wurden immer wieder an ihren Treffpunkten aufgegriffen, landeten teilweise im Gefängnis. Und würden genötigt für die Stasi zu arbeiten.
Campino fasst das in dem Satz zusammen, dass es für die Düsseldorfer Musiker "nur ne Party" gewesen sei, ein "Underground-Pfadfindertum", während die Ost-Berliner für ihre "Leidenschaft und Philosophie" viel riskiert hätten. Und so ist es einer der stärksten Momente des Films, als Campino und der Stasi-Offizier sich gegenübersitzen. Mitglieder der ehemaligen DDR-Bands wollten sich das vermutlich nicht antun.
Zu den weiteren Höhepunkten des 90-minütigen Films gehören auch die Originalaufnahmen des zweiten Konzerts, teilweise vermutlich auch Stasi-Aufnahmen - vom ersten Auftritt gibt es offenbar nur ein Foto.
Schade ist, dass die Macher des Films an keiner Stelle erklären, welche Bedeutung viele Kirchen als Freiräume für die unterschiedlichsten Gruppen gerade in der Spätzeit der DDR hatten. Hier trafen sich die oppositionellen Gruppen, debattierten über Missstände und riefen zum friedlichen Protest auf. Für die Fans der Band ist "Auswärtsspiel" auf jeden Fall eine spannende Zeitreise - nicht einmal im Wikipedia-Eintrag der "Toten Hosen" werden die Auftritte in DDR erwähnt.
(KNA)
Autor:Online-Redaktion |
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