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Weihnachtslieder und ihre Geschichte
Klänge der Mystik

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Die Anfänge dieses Liedes verlieren sich im Dunkel der Geschichte. Gewiss scheint nur, dass es gleichsam eingebettet ist in Gedanken der spätmittelalterlichen Mystik am Oberrhein.
Die mystische Welt ist eher zeitlos, dafür aber voller »überzeitlicher« Symbole. Im Mittelpunkt des Liedes steht ein geheimnisvolles Schiff. Und so wie das Schiff sich nähert, so nähern wir uns Schritt für Schritt einem Verstehen, das erkennen will und zugleich den Respekt vor diesem Geheimnis der Menschwerdung Gottes wahrt. Zu solcher Versenkung gehört die Stille ebenso wie das Staunen.
Um nichts Geringeres als um das Kind und um seine weihnachtliche Geburt geht es. Wo aber wird Jesus geboren? Auf diese Frage geben viele Mystiker eine dreifache Antwort: in Gott selbst »vor aller Zeit«, in einem Stall zu Betlehem – und in dir!
Ein Bild für die mystische Gottesgeburt in der Menschenseele ist der Kuss, denn er ist Zeichen innigster Einheit, in Freuden wie im Leiden. Die »Kuss-Strophe« lautet im Original:

Wer dieses Kind will küssen
auf seinen roten Mund,
empfängt so groß Gelüste
von ihm zur selben Stund.

Als möglicher Autor von »Es kommt ein Schiff geladen« wird immer wieder der mystisch begabte Dominikanermönch Johannes Tauler (1300–1361) genannt. Was aber mögen sich die frühesten Sänger und Sängerinnen bei diesem Lied gedacht haben? Den Schwestern vom Orden des heiligen Dominikus war das Bild eines Schiffes mit »teurer Last« durchaus vertraut. Schiffe verkehrten auf dem Rhein bei Straßburg. »Das Schiff geht still im Triebe« meint, dass die Strömung des Flusses seine ruhige Fahrt behutsam trägt.
Durch das Segel nimmt das Schiff Fahrt auf und bewegt sich auf den Wellen, so wie die Liebe des Vaters der Beweggrund dafür ist, dass er seinen Sohn in die Welt schickt. Der »Anker« wiederum lässt das Schiff ankommen. Die Ankunft entspricht der Geburt des Gottessohnes. Das Schiff ist Maria, denn sie trägt den Sohn und bringt ihn zur Welt.
Die Melodie aus dem Jahr 1608 passt bestens zu den Worten. Der Dreierrhythmus gibt eine langsame Bewegung vor. So naht sich das Schiff. Zu den Worten »höchsten Bord« kommen neue Klänge ins Spiel. Jetzt sind wir im Vierermetrum. Vielleicht steckt darin sogar eine musikalisch-spirituelle Symbolik: Der göttlichen Herkunft des Schiffes entspricht der oftmals als himmlisch gedeutete Dreiertakt. Der Vierertakt hingegen wird auf die Erde hin gedeutet, etwa im Zusammenhang der vier Himmelsrichtungen. So schlägt die zweite Hälfte jeder Strophe die Richtung zur Erde ein, zu uns.
Meinrad Walter

Leicht gekürzter Auszug aus Walter, Meinrad: O du selige Weihnachtszeit.
Was unsere Weihnachtslieder erzählen, Verlag am Eschbach, 144 S., ISBN 978-3-86917-674-1, 19 Euro

Autor:

Online-Redaktion

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