Ausstellungen
Schalom und Alaaf
Eine Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum zeichnet ab Mittwoch die Geschichte des jüdischen karnevalistischen Lebens in Köln bis in die Gegenwart nach. Jüdische Karnevalisten fordern angesichts der gestiegenen Bedrohung Solidarität.
Von Claudia Rometsch (epd)
Hans Tobar war durch und durch Karnevalist. Bereits mit 17 Jahren startete der 1888 geborene jüdische Kölner seine Karriere als gefragter Büttenredner. Selbst der Ausschluss aus dem Karneval und die Flucht vor den Nationalsozialisten hielten ihn nicht davon ab, das Kölsche Brauchtum weiter zu pflegen. Im Exil in New York machte der Vortragskünstler weiter und veranstaltete rheinische Abende. Tobar ist nur einer von zahlreichen Jüdinnen und Juden, die den organisierten Kölner Karneval seit seinen Anfängen vor 200 Jahren mitprägten. Erstmals dokumentiert nun eine Ausstellung die Rolle der jüdischen Karnevalistinnen und Karnevalisten in der Domstadt.
Unter dem Titel «Schalom & Alaaf. Jüdinnen & Juden im Kölner Karneval» stellt das NS-Dokumentationszentrum in Köln ab Mittwoch jüdische Akteurinnen und Akteure des närrischen Treibens in den Mittelpunkt. Dies geschehe zu einer Zeit, in der die Sicherheit jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger erneut bedroht sei, warnt die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) anlässlich der Ausstellungseröffnung einen Monat nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel. «Jüdisches Leben gehört zu Köln», betont Reker.
Die Ausstellung, die bis zum 31. März zu sehen ist, dokumentiert das jüdische karnevalistische Leben in der Domstadt von den Anfängen bis in die Gegenwart. Fotografien sowie Film- und Ton-Dokumente erzählen die Geschichte einzelner Karnevalisten, die den Kölner Karneval in besonderer Weise prägten. Eine Galerie zeigt rund 70 weniger bekannte Jüdinnen und Juden, die sich im Kölner Karneval engagierten.
Die Ausstellung erzählt eine ambivalente Geschichte. Viele Jüdinnen und Juden feierten zwar von Beginn an begeistert mit, obgleich der Karneval auf christliche Tradition zurückgeht. «Von Anfang an gab es aber auch eine Dynamik der Ausgrenzung», erklärt Kuratorin Annemone Christians-Bernsee.
Als am 10. Februar 1823 der erste organisierte Maskenzug über den Kölner Neumarkt zog, waren Jüdinnen und Juden mit von der Partie. Im zweiten Jahr führte sogar der jüdische Kölner Bankier Simon Oppenheim den Zug mit an, der als «Prinzessin Venetia» auftrat.
In den 1920er Jahren erlebte die Teilhabe am Karneval einen Höhepunkt. Kölner Jüdinnen und Juden waren nicht nur bei den Karnevalsvereinen der Domstadt aktiv. 1922 gründete der Kaufmann Max Salomon mit dem Kleinen Kölner Klub erstmals einen jüdischen Karnevalsverein. Auch wohlhabende Juden förderten den Karneval aktiv. So etwa der Kaufhausbesitzer Leonhard Tietz, der in der Session 1925 eigens einen großen Saal für einen Karnevals-Ball mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mietete.
In den 30er Jahren änderte sich die Stimmung im Kölner Karneval dramatisch. In der Session 1934 rollte der erste antisemitische Motivwagen über die Straßen. Der Wagen mit dem Titel «Die letzten ziehen ab» wurde nicht von den Nationalsozialisten initiiert, sondern war ein Auftrag von Kölner Bürgerinnen und Bürgern. Bereits im Juni 1935 - rund ein halbes Jahr vor dem Erlass der «Nürnberger Rassengesetze» - beschloss der Festausschuss des Kölner Karnevals in vorauseilendem Gehorsam den Ausschluss von «Nichtariern». Einigen jüdischen Karnevalisten-Familien gelang rechtzeitig die Flucht. Neben den Tobars konnte sich auch der Gründer des Kleinen Kölner Klubs, Max Salomon, mit seiner Familie in die USA retten. Auch die Salomons führten in Los Angeles das Kölsche Brauchtum fort.
Nach dem Zweiten Weltkrieg meldeten sich einige Jüdinnen und Juden in Köln wieder in den Karnevalsvereinen an. Der erste Rosenmontagszug nach zehn Jahren war 1949 auch der Fürsprache von Moritz Goldschmidt zu verdanken, der sich als zweiter Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde bei der britischen Besatzung für die Genehmigung einsetzte.
Seit 2017 gibt es mit den Kölschen Kippa Köpp wieder einen jüdischen Karnevalsverein, der an die Tradition des Kleinen Kölner Klubs erinnern will. Sein Präsident und Co-Kurator der Ausstellung, Aaron Knappstein, wünscht sich angesichts der aktuell verstärkten antisemitischen Bedrohung mehr Solidarität der Kölner Karnevalisten. Er fordert Vertreter der Karnevalsvereine auf, Präsenz bei den Veranstaltungen der Kölschen Kippa Köpp zu zeigen: «Und warum hat eigentlich noch kein Karnevalist ein Lied zu dem Thema geschrieben?»
Autor:Katja Schmidtke |
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