Rezension
Und das soll man glauben?
Im Jahr 1799 veröffentlicht Friedrich Schleiermacher „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter den Verächtern“. 1955 schreibt Werner Keller sein als Sachbuch tituliertes „Und die Bibel hat doch recht“. Zwei Beispiele für den immer wiederkehrenden Wunsch, den Glauben an Jesus Christus fassbar zu machen. Gewiss würde sich der Theologe und Journalist Andreas Malessa aus verschiedenen Gründen kaum in die Reihe der eher willkürlich Genannten einreihen.
Von Joachim Liebig
Und doch ist sein kürzlich erschienenes, kurzweilig zu lesendes Buch ein aktueller Versuch, sich mit den Fragen der Gegenwart der Religion im Allgemeinen und dem Christentum im Besonderen zu nähern. Anhand von fragenden Überschriften wie „Was ist Ihnen heilig?“, über „Hatte Eva einen Bauchnabel?“ und „Kennen Sie Widersprüche in der Bibel?“ durchquert Malessa im durchaus kenntnisreichen Sauseschritt biblische Geschichte, Zeitbezüge biblischer und frühchristlicher Texte sowie Gegenwartsfragen.
Immer wieder wird Malessas Prägung in einer baptistischen Familie und Gemeinde deutlich. Relativ breit fasst der Autor die Auseinandersetzung mit moderner Textauslegung, die auch archäologische, textwissenschaftliche und andere Aspekte selbstverständlich hinzuzieht. Wenigstens für den deutschsprachigen Raum ist das inzwischen fraglos anerkannt. Anders natürlich in pfingstlerisch geprägten Milieus, namentlich in den USA und anderen Regionen der Welt.
Der Schreibstil verrät deutlich Malessas journalistische Erfahrung – ob immer wiederkehrende sprechtextliche Einschübe wie „Achtung! Fremdwort!“ leseförderlich sind, mag die Leserschaft entscheiden. Wörtliche Rede als Zusammenfassung von Kernfragen elementarisiert, ohne zu vereinfachen.
Gemeinsam mit Schleiermacher und Keller wird bei Malessa erneut deutlich, wie wenig das Verständnis von biblischen Zusammenhängen schon Glaube ist. Das wird nicht bestritten, und dennoch entsteht stets der Eindruck, der unverfügbare Glaube sei irgendwie doch durch intensive Bemühung verfügbar zu machen. Die Glaubensgeschichte widerlegt diese Versuche.
Malessas Buch, gelesen in der ostdeutschen Minderheitssituation, lässt vermissen, wie sehr Theologie, vor allem die sogenannte öffentliche, zu einer Moralisierung des Alltags beigetragen hat. Richtig betont Malessa die Abgrenzung von eben nicht biblisch begründeter Moral der Vergangenheit. Wenn aber heute die angemessene Bekämpfung einer Pandemie theologisch als Nächstenliebe überhöht wird, steht das überkommener Moralisierung nicht nach. Die Beispiele könnten fortgesetzt werden. So ist Malessa gewiss zu empfehlen für die Interessierten unter den Verächtern.
Malessa, Andreas: Und das soll man glauben? Warum ich der Bibel trotzdem vertraue, Gütersloher Verlagshaus, 192 S., ISBN 978-3-579-07198-5; 20,00 Euro
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Autor:Online-Redaktion |
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