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Regionalbischöfin zum EG
Vertonter Beitrag zur Demokratiebildung

Foto: EKM/Viktoria Kühne

In diesem Jahr feiert das Gesangbuch 500. Jubiläum – und viele Kirchengemeinden feiern mit. Das EG, wie es oft abgekürzt wird, sei mehr als eine bloße Liedsammlung, sagt Friederike F. Spengler. Was sie persönlich mit dem Gesangbuch verbindet, erklärt die Regionalbischöfin im Gespräch mit Beatrix Heinrichs.

Im G+H-Interview haben Sie einmal verraten, dass Sie rote Ampeln für Gebetsanliegen nutzen. Wo singen Sie am liebsten?
Friederike F. Spengler: Am allerliebsten in Kirchen, die laden geradezu dazu ein. Je „gotischer“, desto mehr muss ich an mich halten, nicht gleich loszusingen. Etwas geordneter, dafür konzertanter singen wir im Frauenkammerchor „VocaLisa“ in Weimar. Ich genieße jede Probe, an der ich teilnehmen kann.

Mit welchem Lied verbinden Sie eine besondere Geschichte?
Herbst 1989 in Jena. Ich hatte mit anderen gemeinsam die „Fürbittandachten für die zu Unrecht Inhaftierten in der DDR“ eingerichtet. Einmal waren die hinteren Reihen der Stadtkirche schon von Männern besetzt. Klar erkennbar: Stasi. Ich brachte Kirchenmusiker Eike Reuter den Ablauf der Andacht auf die Orgelempore. Er schaute mit mir über die Brüstung und nickte. Am Ende der Andacht setzte die Orgel spontan zu „Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unserer Zeit“ (EG 263) ein. Ab der zweiten Strophe standen wir beim Singen. Das war mehr als ein Choral: Es waren Hoffnungs-Worte, Zuspruchs-Töne, Kraft-Takte. Das Lied sitzt mir seit damals direkt unter der Haut.

Singen ist Gemeinschaft. Auch das neue Gesangbuch ist ein Gemeinschaftsprojekt. Eine Kommission aus Landeskirchen und musikalischen Verbänden arbeitet gemeinsam daran. Ist es auch ein Beteiligungsformat?
Ich nehme die Arbeit am neuen Gesangbuch genau so wahr. Und es ist auch ein Aushandlungsprozess. Wir haben viel mehr Lieder, als Platz ist in einem EG. Da wird diskutiert und werden Mehrheiten gebildet, und man wird miteinander zu Kompromissen finden müssen. Was für ein Beitrag zur Demokratiebildung!

In vielen Gottesdiensten herrscht „Zettelwirtschaft“. Die Lieder werden oft auf Kopien verteilt. Ist das Gesangbuch nur noch etwas für verstaubte Kirchenarchive?
Verstaubt? Mir sagen viele Lieder aus dem EG etwas. Manche Texte fangen meine Sprachlosigkeit auf, andere führen meine Gedanken weg von dem, was mich umtreibt. Ab und zu gönne ich mir die Vorbereitung einer Liedpredigt und bin erstaunt, was ich dabei entdecke. Gegen Zettelwirtschaft, die zwar ästhetisch nicht schön ist, aber zeigt, dass dort gelebt wird, habe ich nichts.
Es gibt viele Lieder, und jeder findet etwas anderes schön, zeitgemäß und aussagekräftig. Diese Vielfalt lässt sich kaum „einbinden“. Viele Gemeinden haben gute Begleitbücher zum EG. Teilweise wird im Gottesdienst abwechselnd aus diesen gesungen. Nicht nur aus ökologischen Gründen ist das natürlich zu empfehlen.
Bis das neue Gesangbuch druckfrisch vorliegt, wird noch Zeit vergehen. Finanziell kann die Anschaffung eines neuen Gesangbuchsatzes für manche Gemeinden eine Herausforderung bedeuten. Warum lohnt es dennoch?
Ein einheitliches Gesangbuch ist viel mehr als eine Liedsammlung: Es ist Gesang- und Gebetbuch, beinhaltet wichtige Texte aus der Geschichte und Gegenwart unserer Kirche. Mit den liturgischen Anleitungen können Andacht und Gottesdienst gefeiert werden, sogar spontan. Die Psalmen machen uns die gemeinsame Geschichte mit dem Gottesvolk Israel bewusst, und Tagzeitengebete verbinden mit Kommunitäten. Das Gesangbuch verbindet Christen unterschiedlichster Frömmigkeit in ganz Deutschland und verbindet den Gottesdienst in einem kleinen Dorf im ländlichen Raum mit dem der Gemeinde in Eisenach, Gera, Halle oder Magdeburg. Was für ein Schatz!

Tipp: Sommerfest zum Jubiläum "500 Jahre evangelisches Gesangbuch", 17. August ab 15.30 Uhr, Annenkirche Eisenach Nachgefragt

Autor:

Beatrix Heinrichs

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