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"Amazing Grace" – Erstaunliche Gnade
Im Dezember 1772 entstand das weltweit beliebteste Kirchenlied. Seitdem ist es in mehr als 70 Sprachen übersetzt worden.
Von Jeffrey Myers
Und selbst wenn der englische Text mittlerweile etwas veraltet ist, hat die unter die Haut gehende Hymne nichts an Kraft oder Aktualität verloren.
Seine Entstehung verdankt das Lied einem Schlüsselerlebnis seines Autors John Newton (1725–1807), der Kapitän eines Sklavenschiffs war. „Ich war in Wirklichkeit selbst ein Sklave“, schrieb Newton später, „und war deprimiert bis zum niedrigsten Grad vom eigenen menschlichen Elend.“
1748 gerät er auf der Überfahrt nach England in einen heftigen Sturm und wendet sich in seiner Verzweiflung an Gott. Die Crew überlebt und Newton beschließt, sein Leben zu ändern. Nach einigen Jahren gibt er seinen Beruf ganz auf und wird anglikanischer Priester. Ab jetzt tritt John Newton gemeinsam mit William Wilberforce für die Abschaffung der Sklaverei ein.
Newton schrieb oft Lieder, die nach seinen Predigten von der Gemeinde gesungen wurden. Bei der Vorbereitung der Neujahrspredigt 1773 zu 1. Chronik 17, Verse 16-17, beschreibt er im Lied nach der Predigt seine Errettung als eine von Gott erwiesene Gnade.
Das Lied, das von Newtons Bekehrung zum Christentum erzählt, lehnt sich an mehrere Bibelstellen, wie die Heilung des Blinden (Johannes 9, Vers 25), an. So dichtet er: "Erstaunliche Gnade, wie süß der Klang, die einen armen Sünder wie mich errettete! Ich war einst verloren, aber nun bin ich gefunden, war blind, aber nun sehe ich."
Als John Newton sein Gnaden-Lied veröffentlichte, fand es zunächst keinen großen Anklang. In den ersten Jahrzehnten wurde es wohl kaum verbreitet. Heute genießt „Amazing Grace“ ungebrochene Popularität, auch außerhalb der Kirche.
Worin liegt die Kraft des Kirchenlieds? Es spricht zu einer Vielfalt von Situationen, berührt menschliche Erfahrung in ihrer Tiefe und verleiht dem einzelnen Menschen Sprache, etwa, wenn er stotternd über seine Lebens- und Glaubenserfahrung sprechen will.
Ferner besitzt das Lied eine Fähigkeit, Menschen zusammenzubringen, sei es am Grab eines geliebten Menschen oder bei einer Kundgebung für eine gerechtere Welt. Das Kirchenlied macht Menschen rund um die Erde Mut, wenn sie unermüdlich gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt kämpfen. John Newton hegte die Hoffnung, dass seine Lieder, „die Früchte und der Ausdruck meiner eigenen Erfahrung den Ansichten von Christen aller Denominationen entsprechen würden.“
In der Tat: Seit 250 Jahren hat „Amazing Grace“ die zahllosen Menschen, die es mitgesungen haben, bekehrt und getröstet, herausgefordert und ermutigt: "Durch viele Gefahren, Mühen und Fallen bin ich bereits gekommen; es ist Gnade, die mich sicher so weit brachte, und Gnade wird mich heim geleiten." Mit dieser Zuversicht lässt sich das neue Jahr 2023 in unbeirrbarer Hoffnung beginnen.
Autor:Online-Redaktion |
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