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Landesgartenschau Torgau: Episode 5
An der Elbe eine Kirchenbank

 Im Predigerseminar in Wittenberg gab es für uns Vikarinnen und Vikare damals die schöne Schreibübung „Wort und Ort“. Mit einem Bibeltext in noch verschlossenen Briefumschlägen wurden wir an verschiedene Orte in der Stadt geschickt.

Von Ann-Sophie Wetzer

Auf dem Marktplatz, im Café, an einer Straßenkreuzung angekommen, galt es, den Umschlag zu öffnen, um den darin befindlichen Bibelvers zu lesen und abzuwarten, wie Wort und Ort sich zu einander verhalten würden; was sie einander zu sagen hätten; ob sie einander verändern könnten.

Im Kirchenwäldchen auf der Landesgartenschau findet man unter dem Motto „Nimm Platz!“ neben Hängematten, Sitzsäcken, Gartenstühle und anderem auch zwei Kirchenbänke. In ihrer Kirche wurden sie nicht mehr gebraucht; jetzt stehen sie hier am ganz anderen Ort. Sie sind, was man eben von einer Kirchenbank gewöhnlich erwartet: alt, unbequem, in einem bis zur Abstoßung unaufdringlichen Beige-Ton gestrichen, wenig einladend. Die viel zu kleine Sitzfläche zusammen mit der Rückenlehne im 90 Grad-Winkel machen es einem so schwer wie möglich, entspannt zu sitzen, geschweige denn zu fläzen oder einander zugewandt eine Unterhaltung zu führen.

Als die Idee in unserer Vorbereitungsgruppe aufkam, auch Kirchenbänke ins Kirchenwäldchen mitzunehmen, war ich erst wenig angetan. Ich war mir sicher, es würde anbiedernd wirken. So nach dem Motto: „Setz dich doch mal wieder auf eine Kirchenbank. Du wirst merken, so schlimm ist es gar nicht.“

Als die beiden Bänke schließlich ihren Platz in unserem Areal gefunden hatten, habe ich lange einen Bogen um sie gemacht, obwohl sie ein schönes Fleckchen bekommen haben: unter einer großen Kastanie, etwas erhöht, mit Blick auf das schöne Holzkreuz, die Elbauen und die Elbe.

Irgendwann nach einem Gottesdienst, beim gemeinsamen Abendessen, nehme ich schließlich doch Kurs auf eine der Bänke, weil dort gerade Hanne – Ende 70, Frohnatur – mit einem Bier in der Hand Platz genommen hat. Wir kennen uns gut. Ihr Anblick lässt mich schmunzeln, irgendwie bricht er das Eis zwischen mir und den Kirchenbänken. Ich setze mich dazu. Sie erzählt mir, dass sie sich schon den ganzen Tag auf dieses Bier hier im Kirchenwäldchen gefreut habe. Ich muss lachen. Dann sehen wir eine Weile schweigend auf die Elbe.

Ich ertappe mich plötzlich beim Gebet. „Was für ein schöner Ort, Gott“, oder so ähnlich. Es ist, als ob mein Körper diese Kirchenbank-Haltung abgespeichert und mit Gebet verknüpft hätte. In einer Kirche ist mir diese Kopplung nie aufgefallen. Ein Hauch von Pils weht mir um die Nase. „Gut, hier zu sein. Danke.“ Ich spüre bewusst meine Beine, meine Wirbel, meinen Nacken. Und fühle mich angenehm wach und aufgerichtet. Das war einer meiner schönsten Abende im Kirchenwäldchen.

Ich werde trotzdem weiter für flexible Bestuhlung in den meisten unserer Dorfkirchen plädieren; und noch mehr dafür, die alten Mauern viel öfter zu verlassen. Aber das Platznehmen in einer Kirchenbank hat seit jenem Abend an der Elbe für mich hin und wieder etwas Feierliches. Wenn ich mich an Hanne und ihren Lebensdurst erinnere. Und diese heilige Vertrautheit. Neue und alte Gelegenheiten, um den eigenen Platz zu finden – ich weiß nun: ich wünsche mir beides in meiner Kirche.

Autor:

Online-Redaktion

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