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Wort zur Woche
Auch Glimmen ist erlaubt

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Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.
Jesaja 42, Vers 3a


Es fällt nicht gleich auf: Dieses Wort steht in Spannung zu den Lesungen des Sonntags.

Von Ulrich Placke

Der Christenverfolger Saulus, durch die Begegnung mit dem auferstandenen Christus erblindet, wird sowohl von dieser körperlichen als auch von seiner Verstehensblindheit („Schuppen“ vor den Augen) geheilt; er wird zum Apostel Paulus. Der unbekannte gehörlose Mann hört und kann sprechen und wird so in die Gemeinschaft hereingeholt. Solche Wundererzählungen gehören zum elementaren Bestand des Evangeliums. Hier aber gibt es gar kein Wunder: Das Rohr bleibt geknickt, und der Docht darf weiter glimmen – das ist alles.

Warum geht von diesem Wort trotzdem so ein wunderbarer Trost aus? Wohl, weil Wunder eben sehr selten sind. Meistens müssen wir statt dessen lernen, mit Defekten, eigenem Versagen und zuletzt mit zunehmenden Beschwerden zu leben. Es gäbe immer genug Gründe, uns einfach „abzuräumen“. Das Wunder ist, einen Gott zu wissen, der das nicht tut, sondern trägt und erträgt. Und der zum Beispiel mit einem solchen Wort tröstet, das wunderbar nachklingt, sooft man es liest oder hört.

Gefragt, ob es sie nicht traurig macht, dass Jesus zwar den Gehörlosen in der Geschichte heilt, sie aber nicht, antwortet eine Gehörlose: „Nein! Die Geschichte ist wunderbar, denn sie zeigt: Jesus ist auch für uns da.“ Sicher, es ist vielleicht gerade kein Wort für Kraftprotze, aber auch die sind ja nicht am Ende ihrer Erfahrung. Und ein Wort wie dieses kann uns zugleich lehren, andere auszuhalten, wie wir immer schon ausgehalten sind.

Das Erbarmen mit andern wächst hoffentlich angesichts der Erfahrung mit sich selbst. Ja, es ist wichtig, dass da, wo nötig, die Leistung entscheidet und eben nicht das Gefühl. Der Jesus aber, der in den alten Geschichten Menschen wunderbar heilt, begegnet uns meistens als der, der uns auch „glimmen“ lässt, wenn es zur lodernden Flamme nicht (mehr) reicht. Davon leben wir.

Der Autor ist Pfarrer i. R. und lebt in Weimar.

Autor:

Online-Redaktion

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