Wort zur Woche
Dem Unheil ins Auge sehen im Licht der Verheißung
Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.
Lukas 18, Vers 31
Die Stille in der Wohnung ist unerträglich. Ununterbrochen muss Elke an ihre Tochter denken. Gestern hat sie sie in die Psychiatrie gebracht. Sie wollte unbedingt, konnte es nicht mehr zu Hause aushalten. Sie denkt an das Telefonat mit ihrem Kollegen vor ein paar Tagen. „Wenn Johann sich mit den ›Chroniken der Weltensucher‹ in eine andere Welt beamen kann, ist der Tag halbwegs gerettet“, sagte er. „500 Seiten pro Tag. Die einzige Chance, dass er nicht versackt. Neulich haben wir zusammen Hausaufgaben gemacht und dabei die Website gefunden, von der die Deutschlehrerin das Arbeitsblatt hatte. Das war witzig. Aber sonst … Die Freunde fehlen so sehr. Das Zusammensein in der Schule, die tägliche Vergewisserung, dass man sich noch versteht. Die Treffen am Nachmittag, der Fußballplatz, die Proben beim Stadtsingechor, das Chillen auf der Bank am Domplatz.“
„Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem …", sagt Jesus, wohl wissend, was sie dort erwartet. Es klingt wie eine Ermutigung, merkwürdig. Inmitten einer Ansammlung entmutigender Feststellungen. Ungefähr 800 Höhenmeter wird es bergauf gehen. Vielleicht wird mit jedem Meter auch der Mut wachsen, den Dingen ins Auge zu sehen, dort oben, wo der Tempel steht und die Verheißung seiner Treue in Stein gemauert ist.
Schade, dass wir gerade nicht nach Jerusalem reisen können. Doch sind wir frei, innerlich hinaufsteigen in unserem coronasicheren Sesseltempel, in der Bibel zu lesen und dem Unheil ins Auge zu sehen im Licht der Verheißung: „Herr, auf dich traue ich, lass mich nimmermehr zuschanden werden, errette mich durch deine Gerechtigkeit! Neige deine Ohren zu mir, hilf mir eilends! Sei mir (esto mihi) ein starker Fels und eine Burg, dass du mir helfest! Denn du bist mein Fels und meine Burg.“ (Ps 31,2-4) Johann, du kannst es auch in der „Geistlichen Chormusik“ von Heinrich Schütz hören und laut dazu singen!
Pfarrerin Jutta Noetzel, Halle
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.